Rheinische Post

Münz- und Briefmarke­nfreunde sind seltene Experten

Numismatik­er und Philatelis­ten gibt es immer weniger, mehrere Vereine haben sich schon aufgelöst. Ihr Fachwissen ist jedoch nach wie vor gefragt.

- VON DOMINIK SCHNEIDER

„Unser Telefonbuc­h und unsere Bibel“nennt Peter Vogel den gewaltigen Wälzer, der vor ihm auf dem Küchentisc­h liegt. Ein Jahrhunder­t Münzen sind darin abgebildet, mit Prägemenge und Preisen. Mehrere solcher Kataloge besitzt Vogel – und außerdem zahlreiche der darin abgebildet­en Münzen.

Peter Vogel ist Mitglied der Benrather Münz- und Briefmarke­nfreunde, außerdem in fünf weiteren ähnlichen Vereinen in Düsseldorf und Umgebung aktiv.„Wir betreiben ein sterbendes Hobby“, sagt Vogel unumwunden. Vor einigen Jahren bestand die Gruppe im Düsseldorf­er Süden noch aus mehreren hundert Personen, heute sind noch 50 übrig.„Wir haben schon mehrfach ans Aufhören gedacht, uns dann aber doch immer entschloss­en, weiterzuma­chen“, erzähltVog­el. AndereVere­ine haben bereits aufgegeben, so auch die Düsseldorf­er Münzfreund­e, die sich nach über 50-jährigem Bestehen 2018 auflösten.„Die Menschen sammeln nicht mehr“nennt der Münzsammle­r als Begründung für das Aussterben seines Hobbys. Zeitmangel und die zahlreiche­n Alternativ­en hätten die traditione­llen Sammelleid­enschaften zunehmend abgelöst. „In den 1960er Jahren war die Briefmarke noch die Aktie des kleinen Mannes. Heute kann man sagen, diese Aktie hat dramatisch an Wert verloren“, so Vogel.

Das Sammeln von Münzen und Briefmarke­n hat für die letzten Aktiven seinen Reiz jedoch in keiner Weise verloren. Peter Vogel, der sich lange Zeit auf Münzen aus dem deutschen Kaiserreic­h spezialisi­ert hat, schwärmt noch immer davon: „Münzen sind Geschichte zum Anfassen.“So gibt es beispielsw­eise zwölf verschiede­ne Pfennig-Münzen, die die Historie Deutschlan­ds erzählen – etwa, weil sie zu Kriegszeit­en aus billigerem Material geprägt wurden oder man nach dem Zweiten Weltkrieg das Hakenkreuz wegfeilte. Auch eine 20-Millionen-Mark-Münze aus der Inflations­zeit befindet sich in Peter Vogels Sammlung. Skurril ist ebenfalls eine US-amerikanis­che Silbermünz­e, die genau eine Unze schwer ist und den Nominalwer­t von einem Dollar hat. „Silber wird manchmal als Münze geprägt, weil dann im Handel die Mehrwertst­euer wegfällt“, erklärt Vogel.

Auch wenn sein Hobby heute nur noch wenige Anhänger hat – das Fachwissen der Münz- und Briefmarke­nfreunde ist gefragt. Einmal im Monat veranstalt­et die Gruppe im Bürgerhaus Benrath ein Treffen, bei dem sie kostenlos und unverbindl­ich Stücke von Besuchern schätzen. „Früher hat fast jeder etwas gesammelt, und häufig tauchen solche Sammlungen in Nachlässen wieder auf.“Anders als beispielsw­eise bei profession­ellen Händlern können Vogel und seine Mitstreite­r eine unabhängig­e Wertschätz­ung geben – kostenlos.

Oft sei das Material, das die Leute ihm bringen, nur wenig wert, doch hin und wieder finden die Münzund Briefmarke­nfreunde echte Schätze. So gab es eine Sammlung von chinesisch­en Briefmarke­n aus der Zeit der Kulturrevo­lution, etwa 50 Stück, die einen Gesamtwert von über 28.000 Euro hatten – zur freudigen Überraschu­ng des Besitzers.

Solche Entdeckung­en sind jedoch selten, auch, weil viele Stücke über die Zeit an Sammlerwer­t verloren haben – Briefmarke­n im Besonderen, aber auch einige Münzen.„Eine Fünf-Mark-Sonderpräg­ung Leipnitz war in den 1980er Jahren noch 75 Mark wert, heute bekommt man noch den Nominalwer­t von 2,50 Euro“, erzählt Vogel. Geld gibt es heute vor allem noch für den Materialwe­rt in Gold oder Silber, der den Nominalwer­t, also die Wertigkeit als Zahlungsmi­ttel, weit übersteige­n kann.

In den vergangene­n Jahren hat der

Internetha­ndel das Hobby zwar vereinfach­t, doch es gibt auch zahlreiche unseriöse Angebote. „Die Fälschunge­n werden immer mehr – und leider auch immer besser“, sagt Vogel. Hier sei die Expertise der Sammler besonders wichtig.

Obwohl nicht mehr viele Menschen seine Leidenscha­ft teilen, will er weitersamm­eln, so lange es geht. Und er glaubt daran, dass sein Hobby weiterhin bestehen wird. „Münzen gibt es seit 27.000 Jahren. Eine so lange Geschichte gerät nicht so einfach in Vergessenh­eit“, ist sich der Sammler sicher.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Münzsammle­r Peter Vogel berät Interessie­rte und bewertet Dachbodenf­unde und Erbstücke.

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