Auch junge Leute erkranken schwer
In Frankreich ist die Hälfte der Intensivpatienten jünger als 60 Jahre.
DÜSSELDORF Ein Erkennungszeichen der Corona-Pandemie ist die Schnelligkeit, mit der als gesichert geltende Erkenntnisse über die Krankheit widerrufen werden. Hatten wir noch unlängst die allgemein als tröstlich empfundene Nachricht verbreitet, dass Kinder und jüngere Menschen wohl nicht so stark unter Covid-19-Symptomen leiden, so gibt es nun Grund, diese Nachricht wieder einzuschränken. In der Tat erkranken Kinder im Fall einer Infektion tatsächlich nicht so schwer, weil sie möglicherweise genügend Kontakt mit anderen Coronaviren gehabt haben. Trotzdem können sie selbst vehemente Überträger vonViren sein.
Wie Experten in den vergangenen Wochen herausgefunden haben, sind merklich erkrankte Menschen (mit Fieber, Halsschmerzen und anderen Symptomen) nicht zwingend ansteckender als Menschen, die kaum Symptome zeigen. Entscheidend ist die Viruslast, die zwischen Sender und Empfänger ausgetauscht wird, ebenso wichtig die Intensität und Nähe des Umgangs. Wer infiziert ist, an Fieber leidet und einmal einen anderen Menschen anhustet, der für zwei Minuten in anderthalb Meter Entfernung sitzt, wird ihn möglicherweise gar nicht anstecken.
Anders dagegen, wenn ein unwissentlich infiziertes Kind (das keine oder nur milde Symptome zeigt) zehn Minuten mit der Oma schmust oder noch länger in deren Nähe sitzt oder gar bei ihr am Wochenende zu Besuch ist: Das kann der Oma durch häufigen Kontakt – in der Medizin „wiederholte Exposition“genannt – eine solche Menge anViren bescheren, dass sie massiv daran erkrankt.
Nur strenger Abstand schützt vor Infektion, sagen alle Ärzte in diesen Tagen gebetsmühlenartig. Er ist auch ein Mittel gegen Sorglosigkeit. Wie belgische Infektiologen und Intensivmediziner soeben im „Spiegel“mitgeteilt haben, kommt es dort zu einer auffälligen Häufung von schweren Covid-19-Fällen – dass also junge Männer (Mitte 30, gänzlich ohne Vorerkrankungen) plötzlich schwere Atemprobleme und auffällige Röntgenbilder präsentieren. Sie hätten, sagen die Mediziner, die Risiken einer Ansteckung deutlich unterschätzt und sich leichtsinnig verhalten; es sei nur eine Frage der Zeit, bis es in Belgien zum ersten Toten komme, der noch keine 40 Jahre alt ist.
Schwere Fälle gibt es in größerer Zahl längst in Italien: junge, sportliche Männer, die keinerlei Vorerkrankungen aufweisen, aber schwere Krankheitsbilder entwickeln und zum Teil sogar daran sterben. Nicht anders in Frankreich: Nach neuen Zahlen befinden sich dort mehr als 900 Patienten in einem ernsten Zustand, und die Hälfte der Patienten auf Intensivstationen sind jünger als 60 Jahre.