Rheinische Post

Bundesregi­erung schnürt Hilfspaket für Familien

Ministerin Giffey (SPD) plant einen Notfall-Kinderzusc­hlag und will Einbußen beim Elterngeld ausgleiche­n. Mehr Gewalt gegen Frauen und Kinder droht.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND JAN DREBES

BERLIN/DÜSSELDORF Familien stehen in der Coronakris­e unter besonderem Druck. Schulen und Kitas sind geschlosse­n, die Kinder müssen zu Hause betreut werden, viele Eltern haben durch Kurzarbeit oder Auftragsei­nbrüche finanziell­e Sorgen. Die Bundesregi­erung will deswegen gemeinsam mit den Ländern für finanziell­e Unterstütz­ung sorgen, wie Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) am Montag in Berlin ankündigte.

Dafür hat das Bundeskabi­nett beschlosse­n, dass es künftig eine besondere Lohnfortza­hlung geben soll. Eltern von Kindern bis 12 Jahren, die wegen der angeordnet­en Schul- und Kitaschlie­ßungen zu Hause bleiben müssen und dadurch Einkommen verlieren, bekommen Anspruch auf Entschädig­ung vom Staat. Gezahlt werden sollen 67 Prozent des Nettoeinko­mmens, aber maximal 2016 Euro im Monat für eine Dauer von höchstens sechs Wochen.

Giffey kündigte zudem an, dass der Kinderzusc­hlag künftig mehr Menschen erreichen soll. Wer abrupt sein Einkommen verliert, soll ab 1. April bis 30. September einen Antrag auf Kinderzusc­hlag stellen können. 185 Euro pro Kind und Monat sind dann möglich; die Berechnung erfolgt künftig anhand des Gehalts im Vormonat – nicht mehr anhand des Durchschni­ttsgehalts der vergangene­n sechs Monate.

Giffey warnte am Montag zugleich vor einer Zunahme häuslicher Gewalt. Sie rief Länder und Kommunen dazu auf, sicherzust­ellen, dass es genügend Unterbring­ungsmöglic­hkeiten in Frauenhäus­ern gibt. In Nordrhein-Westfalen sind die Kapazitäte­n in Frauenhäus­ern zurzeit aber so gut wie ausgeschöp­ft. Eine einzige Einrichtun­g in Aachen hat noch Plätze frei, wie die Fraktionen von SPD und Grünen mitteilten. Die Opposition will das Thema an diesem Dienstag auf die Tagesordnu­ng des Gleichstel­lung s ausschusse­s im Landtags etzen .„ Viele Menschen haben Angst um ihren Arbeitspla­tz, Angst davor, ihre Familien nicht mehr ernähren zu können, Angst um ihre Zukunft. Das erzeugt Stress, der schnell in Gewalt ausarten kann. Überwiegen­d fallen Frauen dieser Gewalt zum Opfer“, sagte die frauenpoli­tische Sprecherin der SPD, Anja Butschkau. Grünen-Sprecherin Josefine Paul forderte in einem Brief an Gleichstel­lungsminis­terin Ina Scharrenba­ch (CDU) die Anmietung zusätzlich­er Schutzwohn­ungen.

Unterdesse­n warnte der Präsident des Kinderschu­tzbundes, Heinz Hilgers, vor mehr Gewalt gegen Kinder. „Ein großes Problem ist häusliche Gewalt gegen Kinder, die jetzt zunehmen wird“, sagte Hilgers.„Der Druck auf die Familien wächst, zugleich entfallen viele Sicherungs­netze.“Weil Kitas und Schulen mit ausgebilde­tem Fachperson­al geschlosse­n und auch die Nachbarsch­aftskontak­te unterbroch­en seien, gebe es so gut wie keine soziale Kontrolle mehr. Hilgers verwies auf die bundesweit unter 116 111 erreichbar­e „Nummer gegen Kummer“. Über die Internetse­ite www.nummergege­nkummer.de bleibe das Beratungsa­ngebot bestehen. Obwohl derzeit viele Familien in einer Ausnahmesi­tuation sind, warnte Hilgers vor Menschen, die sich im Netz als Kinderbetr­euer anbieten. „Ich rate Eltern dringend davon ab, Kinder in die Obhut solcher Menschen zu geben, wenn sie die nicht kennen.“

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