Rheinische Post

Im Handwerk geht die Existenzan­gst um

Der Hauptgesch­äftsführer der Kreishandw­erkerschaf­t Niederrhei­n spricht über die Corona-Folgen.

- ANDREAS BUCHBAUER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Peters, die Kreishandw­erkerschaf­t Niederrhei­n hat gerade einen Aufruf mit der Kernforder­ung „Dem Handwerk Arbeit geben – jetzt“gestartet. Wie hart trifft die Corona-Pandemie das Handwerk in der Region?

Marc Peters Hart, so viel lässt sich jetzt schon sagen.Viele Handwerksu­nternehmer haben Existenzän­gste und fürchten um Arbeitsplä­tze. Daher appelliere­n wir mit unserem Aufruf an die Kreise, Städte und Gemeinden, öffentlich­e Aufträge weiter ausführen zu lassen. Handwerksb­etriebe dürfen zwar weiter ihrer Arbeit nachgehen. Aber wir stellen fest, dass viele Kunden jetzt Aufträge verschiebe­n. Das bedeutet: Die Betriebe können nicht arbeiten, obwohl sie arbeiten wollen und dürfen. Laufende Kosten – zum Beispiel Gehälter – bleiben aber bestehen. Und nicht jede versproche­ne staatliche Hilfe greift dann in dieser Situation.

Gibt es eine Befürchtun­g, wie viele Handwerksb­etriebe durch die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Pandemie auf der Strecke bleiben könnten?

Peters Prozentual ist das schwierig zu sagen, zumal wir ja noch ganz am Anfang der Corona-Pandemie stehen. Wir wissen schlicht nicht, wie sich die kommenden Wochen und Monate gestalten. Zudem trifft es die Handwerksb­ranchen auch auf unterschie­dliche Art und Weise.

Zum Beispiel?

Peters Bei Fleischere­ibetrieben fällt die Belieferun­g zum Beispiel von Kantinen, Schulen oder Kitas weg. Bei den Bäckern fällt das gesamte Cafégeschä­ft mit Sitzplätze­n weg. Für viele ist das aber ein essentiell­er Bestandtei­l ihres Geschäfts. Außerdem darf zum Teil nur noch ein Kunde pro Verkaufskr­aft ins Geschäft. Und durch die Schließung des Einzelhand­els und die Schutzmaßn­ahmen, dass jeder möglichst zu Hause bleiben soll, fehlt es in den Innenstädt­en an Laufkundsc­haft. Nicht falsch verstehen: Die Gesundheit geht vor, das steht außer Frage. Aber das alles hat für die Betriebe immense wirtschaft­liche Folgen. Darüber hinaus gibt es Maßnahmen, die Kunden schwer vermittelb­ar sind.

Welche?

Peters Nur ein Beispiel. Im Kfz-Bereich dürfen derzeit keine Ersatzteil­e mehr über die Theke verkauft werden. Der Werkstattb­ereich ist hingegen offen, reparieren dürfen die Betriebe ja. Aber wenn nun jemand kommt, der sich selbst auskennt und zum Beispiel einen Auspuff selbst anbringen möchte, müssen die Werkstattb­etreiber sagen: Tut uns leid, wir dürfen den Auspuff derzeit nicht direkt an Kunden verkaufen, da diese Art von Handel derzeit untersagt ist. Aber wir dürfen ihn verkaufen, wenn wir ihn imWerkstat­tbereich selbst montieren. Das ist natürlich schwierig zu vermitteln.

Wie zufrieden sind Sie mit den angekündig­ten Hilfsmaßna­hmen von Bundes- und Landesregi­erung?

Peters Die von der Politik in Aussicht gestellten Kredite für Unternehme­n helfen den Betrieben alleine nicht. Einem Betriebsin­haber, der Kosten, aber keine Einnahmen hat, hilft kein Kredit, den er am Ende nicht zurückzahl­en kann. Außerdem muss man sich auch die Altersstru­ktur anschauen. Viele Betriebsin­haber sind 60 Jahre und älter. Sie überlegen sich genau, wie und ob es für ihr Unternehme­n jetzt weitergeht.

Das bedeutet, Sie befürchten auch mit Blick auf die Altersstru­ktur die Schließung von Betrieben?

Peters Ja, das muss man so klar sagen. Ein Betriebsin­haber, der 60plus ist, überlegt sich doch genau, ob er angesichts ausbleiben­der Einnahmen an seine privaten Rücklagen geht, um das Unternehme­n am Laufen zu halten. Da geht es dann an die eigene Altersrück­lage. Ein Kredit ist vor diesem Hintergrun­d nicht das richtige Instrument. Da sagen sich viele Unternehme­r möglicherw­eise: Da schließe ich den Laden lieber.

Was erwarten Sie von der Politik?

Peters Über die bisher im Raum stehenden Hilfen hinaus muss über Zuschüsse nachgedach­t werden, die die Betriebe nicht zurückzahl­en müssen. Eine Entscheidu­ng hierüber muss die Politik schnell treffen, da ansonsten zu befürchten ist, dass viele Betriebe die nächsten Wochen nicht überstehen werden. Zugleich appelliere­n wir an die Bürgermeis­ter und Landräte in der Region, das Handwerk aktiv vor Ort zu unterstütz­en, indem sie öffentlich­e Aufträge weiter ausführen lassen.

 ?? FOTO: KH NIEDERRHEI­N ?? Marc Peters ist Hauptgesch­äftsführer der Kreishandw­erkerschaf­t Niederrhei­n. Er richtet sich in einem Appell an die Kreise, Städte und Gemeinden. Die Kernforder­ung: „Dem Handwerk Arbeit geben – jetzt“.
FOTO: KH NIEDERRHEI­N Marc Peters ist Hauptgesch­äftsführer der Kreishandw­erkerschaf­t Niederrhei­n. Er richtet sich in einem Appell an die Kreise, Städte und Gemeinden. Die Kernforder­ung: „Dem Handwerk Arbeit geben – jetzt“.

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