Im Handwerk geht die Existenzangst um
Der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Niederrhein spricht über die Corona-Folgen.
Herr Peters, die Kreishandwerkerschaft Niederrhein hat gerade einen Aufruf mit der Kernforderung „Dem Handwerk Arbeit geben – jetzt“gestartet. Wie hart trifft die Corona-Pandemie das Handwerk in der Region?
Marc Peters Hart, so viel lässt sich jetzt schon sagen.Viele Handwerksunternehmer haben Existenzängste und fürchten um Arbeitsplätze. Daher appellieren wir mit unserem Aufruf an die Kreise, Städte und Gemeinden, öffentliche Aufträge weiter ausführen zu lassen. Handwerksbetriebe dürfen zwar weiter ihrer Arbeit nachgehen. Aber wir stellen fest, dass viele Kunden jetzt Aufträge verschieben. Das bedeutet: Die Betriebe können nicht arbeiten, obwohl sie arbeiten wollen und dürfen. Laufende Kosten – zum Beispiel Gehälter – bleiben aber bestehen. Und nicht jede versprochene staatliche Hilfe greift dann in dieser Situation.
Gibt es eine Befürchtung, wie viele Handwerksbetriebe durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie auf der Strecke bleiben könnten?
Peters Prozentual ist das schwierig zu sagen, zumal wir ja noch ganz am Anfang der Corona-Pandemie stehen. Wir wissen schlicht nicht, wie sich die kommenden Wochen und Monate gestalten. Zudem trifft es die Handwerksbranchen auch auf unterschiedliche Art und Weise.
Zum Beispiel?
Peters Bei Fleischereibetrieben fällt die Belieferung zum Beispiel von Kantinen, Schulen oder Kitas weg. Bei den Bäckern fällt das gesamte Cafégeschäft mit Sitzplätzen weg. Für viele ist das aber ein essentieller Bestandteil ihres Geschäfts. Außerdem darf zum Teil nur noch ein Kunde pro Verkaufskraft ins Geschäft. Und durch die Schließung des Einzelhandels und die Schutzmaßnahmen, dass jeder möglichst zu Hause bleiben soll, fehlt es in den Innenstädten an Laufkundschaft. Nicht falsch verstehen: Die Gesundheit geht vor, das steht außer Frage. Aber das alles hat für die Betriebe immense wirtschaftliche Folgen. Darüber hinaus gibt es Maßnahmen, die Kunden schwer vermittelbar sind.
Welche?
Peters Nur ein Beispiel. Im Kfz-Bereich dürfen derzeit keine Ersatzteile mehr über die Theke verkauft werden. Der Werkstattbereich ist hingegen offen, reparieren dürfen die Betriebe ja. Aber wenn nun jemand kommt, der sich selbst auskennt und zum Beispiel einen Auspuff selbst anbringen möchte, müssen die Werkstattbetreiber sagen: Tut uns leid, wir dürfen den Auspuff derzeit nicht direkt an Kunden verkaufen, da diese Art von Handel derzeit untersagt ist. Aber wir dürfen ihn verkaufen, wenn wir ihn imWerkstattbereich selbst montieren. Das ist natürlich schwierig zu vermitteln.
Wie zufrieden sind Sie mit den angekündigten Hilfsmaßnahmen von Bundes- und Landesregierung?
Peters Die von der Politik in Aussicht gestellten Kredite für Unternehmen helfen den Betrieben alleine nicht. Einem Betriebsinhaber, der Kosten, aber keine Einnahmen hat, hilft kein Kredit, den er am Ende nicht zurückzahlen kann. Außerdem muss man sich auch die Altersstruktur anschauen. Viele Betriebsinhaber sind 60 Jahre und älter. Sie überlegen sich genau, wie und ob es für ihr Unternehmen jetzt weitergeht.
Das bedeutet, Sie befürchten auch mit Blick auf die Altersstruktur die Schließung von Betrieben?
Peters Ja, das muss man so klar sagen. Ein Betriebsinhaber, der 60plus ist, überlegt sich doch genau, ob er angesichts ausbleibender Einnahmen an seine privaten Rücklagen geht, um das Unternehmen am Laufen zu halten. Da geht es dann an die eigene Altersrücklage. Ein Kredit ist vor diesem Hintergrund nicht das richtige Instrument. Da sagen sich viele Unternehmer möglicherweise: Da schließe ich den Laden lieber.
Was erwarten Sie von der Politik?
Peters Über die bisher im Raum stehenden Hilfen hinaus muss über Zuschüsse nachgedacht werden, die die Betriebe nicht zurückzahlen müssen. Eine Entscheidung hierüber muss die Politik schnell treffen, da ansonsten zu befürchten ist, dass viele Betriebe die nächsten Wochen nicht überstehen werden. Zugleich appellieren wir an die Bürgermeister und Landräte in der Region, das Handwerk aktiv vor Ort zu unterstützen, indem sie öffentliche Aufträge weiter ausführen lassen.