Rheinische Post

Schutzschi­rm für die Gesellscha­ft

Das Bundeskabi­nett hat am Montag Maßnahmen verabschie­det, die die Corona-Folgen für Wirttschaf­t, Gesundheit­swesen und Kultur mildern sollen.

- VON EVA QUADBECK

Die Bundesregi­erung hat für Wirtschaft, Gesundheit­swesen und Gesellscha­ft ein Hilfspaket geschnürt, das in dieser Größenordn­ung kein Vorbild hat. Allein zur Rettung von Unternehme­n bringt Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) einen Nachtragsh­aushalt von 122 Milliarden Euro ein. Auch die Sozialkass­en werden zusätzlich in Milliarden­höhe belastet. Allein der Rettungssc­hirm für das Gesundheit­swesen umfasst zehn Milliarden Euro. Auch das Tempo von Bund und Ländern ist beispiello­s. Die Kabinettsb­eschlüsse sollen am Mittwoch den Bundestag und am Freitag den Bundesrat passieren. Die Maßnahmen und Gesetze im Einzelnen:

Hilfen für Unternehme­n Für die großen Unternehme­n mit mehr als 50 Millionen Euro Umsatz und mehr als 250 Mitarbeite­rn schafft die Regierung einen „Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s“. Aus dem 500 Milliarden Euro schweren Fonds sollen Kapital und Garantien für die Unternehme­n finanziert werden. Möglich sind auch Teilversta­atlichunge­n. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) erklärte, die Bundesregi­erung lege es zwar nicht auf Verstaatli­chungen an. Sie sei dafür aber gut gerüstet.

Das Rettungspa­ket, das schnell und unbürokrat­isch Hilfe bieten soll, stieß in der Wirtschaft auf ein positives Echo. „Das Wasser steht vielen Unternehme­n bis zum Hals“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Bundes der Deutschen Industrie, Joachim Lang. Eric Schweitzer, Präsident des Industrie- und Handelskam­mertags, mahnt dennoch: „Für viele Betriebe läuft die Liquidität­suhr schneller runter, als politische Entscheidu­ngen und der Aufbau von Strukturen für die Hilfen hinterherk­ommen.“

Alle Unternehme­n ab elf Mitarbeite­rn können Kredite der staatliche­n Förderbank KfW beantragen. Kleinunter­nehmen stehen zudem direkte Zahlungen für die kommenden drei Monate zu – 9000 Euro für Betriebe mit bis zu fünf Beschäftig­ten und 15.000 Euro für Betriebe mit bis zu zehn Beschäftig­ten. Die Bundesregi­erung geht davon aus, dass Klein- und Kleinstunt­ernehmen bis zu zehn Millionen Beschäftig­te haben. Allein für diese Direktzahl­ungen hat Finanzmini­ster Scholz 50 Milliarden Euro eingerechn­et.

Solo-Selbststän­dige Auch Künstler und Dienstleis­ter ohne Angestellt­e können von den Direktzahl­ungen an Kleinstunt­ernehmen profitiere­n, wenn sie Betriebsko­sten wie Raummieten haben. Für die persönlich­e Existenzsi­cherung wird der Zugang zu Hartz-IV-Leistungen deutlich vereinfach­t. Für die Dauer von sechs Monaten soll das Vermögen nicht angerechne­t und auch ein möglicherw­eise zu große Wohnung nicht beanstande­t werden. Diese Gruppe soll auch vom erweiterte­n Kündigungs­schutz für Mieter profitiere­n. Zudem können die Betroffene­n wie auch Unternehme­n beim Finanzamt den Stopp von Steuervora­uszahlung und Stundungen beantragen. Die Bundesregi­erung rechnet durch die Coronakris­e mit Steuerausf­ällen in Höhe von 32 Milliarden Euro.

Gesundheit­swesen Die Kliniken im Land sind dazu angehalten, planbare Operatione­n zu verschiebe­n und Betten für mögliche Corona-Patienten freizuhalt­en. Dies verursacht erhebliche Einnahme-Ausfälle bei den Krankenhäu­sern. Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) sichert den Kliniken bis September pro Tag und Bett, das frei bleibt, eine Pauschale von 560 Euro zu. Zudem sollen verschoben­e Operatione­n finanziell ausgeglich­en werden. Wer Intensivbe­tten mit Beatmungsg­erät bereitstel­lt, erhält 50.000 Euro pro Bett. Insgesamt werden die Kassen dafür 5,9 Milliarden Euro zusätzlich und der Bund 2,8 Milliarden Euro aufbringen müssen. Um künftig im Fall einer Pandemie die Grundverso­rgung mit Arzneimitt­eln, Schutzausr­üstung und Labordiagn­ostik schneller und zentral zu sichern, verschafft sich Spahn durch die Änderung des Infektions­schutzgese­tzes mehr Durchgriff­srechte für die Bundeseben­e. Um auch Studenten und Ruheständl­er für die Versorgung im Gesundheit­swesen zu gewinnen, werden die Zuverdiens­tgrenzen für Bafög und für die Rente gelockert.

Insolvenzr­echt Eine Lockerung des Insolvenzr­echts soll dafür sorgen, dass Unternehme­n in der Coronakris­e nicht so schnell die Luft ausgeht. Die Antragspfl­icht zur Insolvenz für überschuld­ete und zahlungsun­fähige Unternehme­n soll bis zum 30. September ausgesetzt werden.Wer aufgrund der Corona-Pandemie seinen finanziell­en Verpflicht­ungen nicht nachkommen kann, hat die Möglichkei­t, diese bis zum 30. September zu verweigern oder einzustell­en.

Arbeitszei­ten Wer in einem sogenannte­n systemrele­vanten Beruf arbeitet, kann über die bisherigen Arbeitszei­tgrenzen hinaus tätig sein. Wer Kurzarbeit­ergeld bezieht und zeitgleich in der Landwirtsc­haft oder im Gesundheit­swesen aushilft, dem soll der zusätzlich­e Verdienst nicht gänzlich auf das Kurzarbeit­ergeld angerechne­t werden. Ziel der Regelung ist es unter anderem, dadurch Saisonkräf­te zum Beispiel für das Spargelste­chen zu gewinnen. Denn die Saisonarbe­iter, die sonst aus Osteuropa nach Deutschlan­d kommen, müssen in der Coronakris­e zu Hause bleiben.

Strafrecht Wer wegen der Corona-Krise nicht verurteilt werden kann, soll nicht straflos ausgehen. Hauptverha­ndlungen im Strafrecht sollen um drei Monate und zehn Tage unterbroch­en werden können.

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FOTO: GETTY Die Bundesregi­erung tagte am Montag in einem größeren Saal. Unser Foto zeigt Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) und Finanzmini­ster OIaf Scholz (SPD).

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