„Wir sind darauf vorbereitet, was kommt“
Die Chefs von Gesundheitsamt und Feuerwehr sprechen über die Maßnahmen für die nächsten Wochen der Corona-Krise.
Wir treffen Klaus Göbels, den Chef des Gesundheitsamtes (220 Mitarbeiter), und David von der Lieth, Chef der Feuerwehr (1050 Mitarbeiter), nach der Sitzung des Krisenstabs im Rathaus. Die Männer haben derzeit keinen freien Tag, sie wirken fokussiert, aber nicht überanstrengt oder nervös.
Herr Göbels, Herr von der Lieth, wie beurteilen Sie die aktuelle Lage in Düsseldorf?
GÖBELS Die Kliniken sind wirklich gut vorbereitet, sie haben viele Intensivbetten freigeräumt. Organisatorisch sind wir gut aufgestellt.
Wir sind seit Mitte Januar in der Vorbereitungsphase. Da haben wir die Lager mit unserer Schutzausrüstung geprüft und waren gleich im engen Kontakt mit dem Gesundheitsamt. Wir haben seit Ende Januar einen Spurt der Vorbereitungszeit hinter uns und Arbeitsprozesse umgestellt. Es ist ja normal, dass ein Rettungsdienst infektiöse Patienten fährt. Der Umfang ist aber jetzt ein völlig anderer.
Es wird auch mehr desinfiziert.
Ein Patient muss sich darauf verlassen können, dass er sich nicht im Rettungswagen durch verdreckte Kontaktflächen infiziert. Unsere Desinfektion ist auf den Ansturm vorbereitet, der noch kommen mag. Die Vorratshaltung ist überarbeitet. Ein Beispiel: Normalerweise haben wir 500 bis 600 Flaschen Desinfektionsmittel auf Lager, jetzt sind es über 3000. Wenn ein Lieferant jetzt sagt, ich kann euch erst nächste Woche beliefern, bringt uns das nicht in Bedrängnis.Wir planen nach der Maßregel „Plane das Schlimmste, erwarte das Beste“.
Herr Wiehler vom Robert-Koch-Institut sagt, wir sind in Deutschland erst am Beginn der Krise. Wann ist in Ihren Augen in Düsseldorf ein kritischer Punkt erreicht?
GÖBELS Unser Ziel muss sein, jeden Patienten, der intensivmedizinisch betreut werden muss, auch betreuen zu können. Wir wissen, die Krankheit verläuft zu 80 Prozent milde. Für kritische Patienten sind wir gerüstet, weil die Krankenhäuser sehr gut mitziehen. Gleichzeitig läuft die Strategie der freiwilligen Absonderung, wenn jemand mit leichten Symptomen erkrankt und kein Test gemacht wurde, und der Schutz der vulnerablen Gruppen. Die Vorerkrankten und älteren Menschen mögen bitte zu Hause bleiben, wir helfen bei der Versorgung. Zu den Zahlen: Da sind wir in Deutschland in einem Bereich, der noch relativ milde aussieht. Bei 25.000 Erkrankten hatten wir in Deutschland 114 Todesfälle, in Italien waren es da bereits 1500.
Wann reichen die Kapazitäten in den Krankenhäusern nicht mehr aus?
GÖBELS In Deutschland haben wir extrem harte Maßnahmen ergriffen, damit die exponentielle Kurve bei der Zunahme Corona-Erkrankter gebrochen wird. Die Situation ist aber dynamisch, wir müssen sie jede Woche neu bewerten. Die Simulationstools für Szenarien nutzen wir, aber diese können uns auch nur grobe Werte vermitteln. Ein wichtiger und nur schwer zu kalkulierender Faktor ist, wie lange die Verweildauer eines Patienten auf der Intensivstation ist. Sie werden teils 15, 20 Tage oder länger dort behandelt.
Dennoch erfassen und denken Sie auch in Kapazitäten.
GÖBELS Natürlich. Die Kliniken etwa haben Krisenstäbe und teilen uns mit, wie viele Beatmungskapazitäten wir noch mobilisieren können, etwa aus nicht genutzten OPs, oder wie viele Aufwachräume wir umfunktionieren können, wenn es Spitz auf Knopf steht.
Die Kunst liegt darin, die Kapazitäten an der Lage entlang sinnvoll zu nutzen.
Mal konkret, was bedeutet das für den Rettungsdienst?
Wir sind darauf ausgerichtet, dass wir jeden Krankentransport und jeden Einsatz des Rettungsdiensts mit Infektionsschutzniveau fahren könnten – und das sind 21.000 Einsätze im Monat. Das bedeutet: pro Patient in neuer Schutzkleidung und in einem sauberen Auto. Das können wir für mehrere Monate leisten.
Beeindruckend. Stimmt es, dass es bereits Vorbereitungen für ein provisorisches Krankenhaus gibt?
GÖBELS Wir denken in alle Richtungen und haben mit allen Partnern, die man dafür braucht, an einem Tisch gesessen. Eine Größe oder Bettenzahl ist da noch nicht definiert, aber wir sind handlungsfähig, wenn es erforderlich ist. Für den Standort haben wir mehrere Optionen.
Es gibt immer wieder Beschwerden über die Qualität der Info-Hotline. Bürger sehen sich falsch informiert oder müssen Tage auf einen Rückruf warten. Wo sehen Sie die Ursachen?
Wir müssen deutlich transparenter machen, was die Hotline leistet, und wir müssen den Mitarbeitern deutlichere Handlungsanweisungen geben. Wir müssen aber um Verständnis bitten, wir haben innerhalb kürzester Zeit eine neue Struktur etabliert und hatten teils bis zu 8000 Anrufe am Tag. Wir hatten ja nicht eine Mitarbeitergruppe für den Pandemiefall in der
Hinterhand. Wir haben nun ein Abfrageschema erarbeitet, das in den letzten Tagen geschult wurde. Wir planen auch eine Information der Öffentlichkeit, wie genau der Ablauf bei einem Anruf ist. Wir hoffen, durch Transparenz steigen Verständnis und Akzeptanz.
Wie viele Menschen arbeiten dort?
Zu den bestehenden 30 Plätzen werden jetzt zehn weitere Plätze eingerichtet. Kleiner Hinweis: Die Hotline ist rund um die Uhr besetzt, abends und am Sonntag herrscht weniger Andrang.
Wie voll ist das Testzentrum an der Witzelstraße, wenn beim DriveIn lediglich 18 Personen einen Abstrich gemacht haben?
Das war der Premierentag, wir fahren das langsam hoch. Am zweiten Tag waren es schon 60. Das Drive-In-Zentrum ist ein gutes Beispiel für das, was mich begeistert. Diese Stadtverwaltung will es schaffen, dass wir diese Krise meistern und gleichzeitig auch die anderen Dienstleistungen noch funktionieren und man beispielsweise noch seinen Führerschein erhalten kann. Für ein Drive-In-Zentrum benötigen Sie, wenn es nicht nur Show sein soll, am Tag 50 Leute. Jetzt haben sich Mitarbeiter aus anderen Ämtern gemeldet, die dort helfen wollen, vom Sportamt beispielsweise. Wir haben gerade auch Schwimmmeister von der Düsseldorfer Bädergesellschaft für den Einsatz dort geschult. Die Bereitschaft ist sensationell.
Welche Kapazität für Tests gibt es heute, welche sehen Sie als sinnvoll an?
GÖBELS Wir haben an derWitzelstraße bis zu 130 Tests am Tag, beim mobilen Service bis zu 20, das Drive-In wird zunächst bis zu 200 Tests täglich machen. Wir können die Leistung hochfahren, zum Beispiel mit weiteren Fahrzeugen des Mobilen Service. Ganz wichtig: Für alle Angebote braucht man einen Termin über die Hotline.
Woran liegt es, dass die Laborkapazität nicht reicht?
GÖBELS Bei dieser Untersuchung werden Genabschnitte untersucht. Dafür benötigen Sie Maschinen, die Kapazität ist endlich. Die Labore müssen mit den Geräten zudem andere Diagnostiken durchführen.
In Südkorea sind Kitas und Schulen zwar geschlossen, es gibt aber keine Ausgangssperre und die Restaurants haben geöffnet. Dennoch sind die Infektionszahlen niedrig. Eine gute Alternative?
GÖBELS Ich finde das Modell hochspannend. Dabei spielt ja auch die digitale Ausstattung eine Rolle und die Handlungsoptionen über Smartphone-Bewegungsdaten. Das muss Deutschland nach dieser Krise diskutieren. Ich glaube, sie verändert die Sichtweisen.Wir haben nach der Schweinegrippe nicht die richtigen
Konsequenzen gezogen, gerade was die Digitalisierung im öffentlichen Gesundheitsdienst angeht.
Wie viele Feuerwehrleute sind mit dem Coronavirus infiziert, wie viele sind in Quarantäne?
Wir haben derzeit knapp 100 Kollegen nicht im Dienst. 60 wohnen im Kreis Heinsberg, diese sind aus Sicherheitsaspekten aktuell nicht im Einsatz. Andere waren in Ischgl oder hatten anderweitig Kontakt zu Erkrankten. Wir haben im Februar neue Dienstpläne angefertigt, die Organisation umgestellt, das war ein Kraftakt für alle. Wir machen etwa getrennte Schichtübergaben, um im Quarantänefall nicht zu viel Kollegen auf einmal nach Hause schicken zu müssen. Ich kann heute sagen: Die Feuerwehr und der Rettungsdienst stehen stabil da, wir können auch all unsere anderen Aufgaben erfüllen, wenn sich ein Sturm ereignet oder ein Rheinhochwasser kommt. Wir sind komplett vorbereitet auf das, was kommt.Wir werden das schaffen.
Info