Seit Montag dürfen Ladenlokale mit bis zu
800 Quadratmetern Verkaufsfläche wieder öffnen. Doch die Händler halten sich bei ihren Erwartungen zurück. Zu schlecht ist derzeit die Konsumstimmung.
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GEN BAUER; PROTOKOLLE: OR, DNE, RR, PD, JUW, BRA
DÜSSELDORF (gw) Mit dem großen Andrang auf Einzelhandelsgeschäfte hatte am Montag eh kaum jemand gerechnet. „Wir erwarten nicht den riesigen Ansturm“, hatte Städtetags-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy schon im Vorfeld gesagt. Und der Handelsverband Deutschland verweist darauf, dass das eigene Konsumbarometer zuletzt auf dem niedrigsten Stand der vergangen vier Jahre war. Tenor: Viele sind in Kurzarbeit und haben Angst um ihren Job, da sitzen Portemonnaie und Kreditkarte nicht so locker wie vor der Corona-Krise. Da muss die Sommerausstattung eben noch ein bisschen warten. „Wir erwarten heute und in den kommenden Tagen keinen Run auf die geöffneten Geschäfte, denn die Konsumstimmung ist wegen der Corona-Krise schlecht“, sagte Stefan Genth, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes.
Aber zumindest erwacht der Handel in Nordrhein-Westfalen langsam wieder zum Leben. Am Montag glichen sich die Bilder an vielen Standorten: Zugangskontrollen an den Eingängen größerer Geschäfte, Mindestabstände von 1,50 Meter, die durch Streifen auf den Fußböden sichtbar gemacht wurden, vielfach Personal und Kunden, die mit gekauftem oder selbst genähtem Mundschutz ausgerüstet waren. Die Kontaktbeschränkungen gelten auch nach der teilweisenWiedereröffnung.
Die Großen, die auf einer Fläche von mehr als 800 Quadratmeter ihre Waren anbieten, dürfen ohnehin noch nicht öffnen. Es sei denn, sie verkaufen Möbel, Bücher, Autos oder Fahrräder. Die NRW-Regelung hat Ärger in der Branche ausgelöst. „Es bleibt die Erwartung, dass auch eine Ladenöffnung eigentlich größerer Geschäfte auf dann 800 Quadratmeter reduzierter Verkaufsfläche dringend nötig ist, um weitere Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden“, sagt Peter Achten, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes NRW. Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) hat diese Möglichkeit angedeutet.Wann eine Entscheidung darüber fallen soll, ist noch offen.
Andrea Lindenlaub, Inhaberin der Buchhandlung Lindenlaubs', Düsseldorf: „Unsere Kunden sind sehr diszipliniert, achten auf die Einhaltung des Abstands und fragen nach, ob sie den Laden betreten und etwas anfassen dürfen. Wir lassen dennoch nicht mehr als zwei Kunden ins Geschäft. Unser großer Vorteil ist eine Holzbank, die vor dem Laden steht und auf der die Leute in Ruhe warten können. Es ist eine große Freude für mich, dass ein wenig Normalität einkehrt und wir mit geöffneter Ladentür zeigen können, dass wir für alle da sind.“
Thomas Gongoll, Inhaber des Freizeit-Fachmarkts Gongoll in Solingen-Ohligs: „Wir sind mit dem ersten Tag der Wiederöffnung sehr zufrieden. Es sind bereits viele Kunden im Geschäft gewesen, die ebenfalls froh waren, dass wir wieder geöffnet haben und sie wieder einkaufen können. Besonders nachgefragt sind Sommerspielsachen, aber auch Sonnenschirme. Bei uns gelten die normalen Sicherheitsmaßnahmen wie Abstand halten. Ferner bitten wir, einen Einkaufswagen oder Einkaufskorb zu nehmen. Auch das hat problemlos funktioniert.“
Marc Fahrig, Geschäftsführer des Möbelhauses Schaffrath, Mönchengladbach: „Die Entscheidung der Landesregierung halten wir für mutig und richtig. Der stationäre Handel ist problemlos in der Lage, die geforderten Schutzmaßnahmen umzusetzen wie Desinfektionsmittel, Mundschutz, Markierungen und ,Spuckschutz`. Es gab zwar an Tag eins der Wiedereröffnung keinen Ansturm, aber unser Geschäft war gut besucht. Bei den Kunden hat sich schon eine Routine entwickelt: Viele sind verantwortungsbewusst.“
Christoph Borgmann, Inhaber von intersport Borgmann, Krefeld: „Generell ist es gut, dass Kunden wieder kommen können. Ich stehe allerdings seit sechs Wochen unter Dauerstrom, weil es trotz vieler Unbekannten viel zu planen gibt. Was mich wirklich ärgert, ist, dass ich den kleineren Laden, sport outlet, öffnen darf, den großen mit 1950 Quadratmeter Fläche aber nicht – nicht mal, wenn ich die oberen Etagen absperre. Kunden kaufen Sachen fürs Laufen, Inlineskaten oder Fitness für zu Hause. Und Tischtennis ist ein großes Thema.“
Lene Dunt, Inhaberin der Boutique „Schön & Gut“, Grevenbroich: „Als ich am Montag nach viereinhalb Wochen Zwangspause wieder für Kunden aufgeschlossen habe, war das für mich fast wie eine Neueröffnung des Ladens. Gleich früh am Morgen kamen zahlreiche Kundinnen, um Frühjahrs- und Sommermode zu kaufen. Damit niemand den Einkaufsbummel zurück zur Normalität später bereut, gab es Abstandsregeln und eine Flasche Desinfektionsmittel am Eingang des Geschäfts.“
FOTOS: STEPHAN KÖHLEN, ANJA TINTER, SVEN BETZ, THOMAS LAMMERTZ, DETLEF ILGNER, HANS-JÜR-
Gabi Bollwerk, Juweliergeschäft Hermeier, Bocholt: „Viele Kunden sind gekommen, um Batterien in Uhren auswechseln zu lassen oder Schmuck zur Reparatur zu bringen. Der Tag begann aber schon wie ein typischer Montag. Die Kunden sind sehr verständnisvoll: Sie warten draußen, wenn bereits zwei Kunden im Geschäft sind, und sie desinfizieren sich die Hände, wenn sie den Laden betreten.“