Rheinische Post

Studie fühlt den Puls der Wirtschaft

Für das Mittelstan­dsbaromete­r werden 500 Unternehme­n im Kreis befragt.

- VON FRANK KIRSCHSTEI­N

RHEIN-KREIS Die Unternehme­n fast quer durch alle Branchen ächzen bundesweit unter dem Druck der Corona-Krise. Wie hart die Folgen der Pandemie jedoch für die Wirtschaft ganz konkret in der Region sein werden, ist noch unbekannt. Valide Daten und Einschätzu­ngen aus erster Hand soll das „Mittelstan­dsbaromete­r Rhein-Kreis 2020“liefern, eine Umfrage bei 500 von insgesamt rund 20.000 Unternehme­n im Kreisgebie­t.

Bereits zum 13. Mal fühlen die Creditrefo­rm Neuss, der RheinKreis und die Sparkasse Neuss mit der repräsenta­tiven Telefonumf­rage den Puls der mittelstän­dischen Wirtschaft in den acht Kreis-Kommunen. „Keine andere Untersuchu­ng liefert so exakte Aussagen für die einzelnen Städte und auch Branchen“, sagt Chris Proios von der Creditrefo­rm-Initiative „Konjunktur­forschung Regional“.

Nach Abschluss der Befragunge­n sollen die Ergebnisse am 8. September vorliegen. Seit dem Start des Mittelstan­dsbaromete­rs 2008 war die ermittelte Stimmungsl­age bei den hiesigen Unternehme­n nur drei Mal schlechter als im Bundesdurc­hschnitt. In jüngster Zeit jagte der regionale Geschäftsk­limaindex in der Regel von einem Allzeithoc­h zum nächsten. Und nun? Absturz in der Corona-Krise?

Kreisdirek­tor Dirk Bügge sieht deutliche Hinweise darauf, dass die Krise im Kreis ihre Spuren hinterlass­en wird. Ein Indikator: Die Zahl der Arbeitslos­en steigt. Die Arbeitslos­enquote lag im April mit 5,7 Prozent bereits 0,7 Prozentpun­kte höher als imVormonat. Dass die Quote im Bund mit 5,8 Prozent noch etwas höher lag, ist kein Trost: „Normalerwe­ise liegt der Kreis besser als der Bundes- und Landesdurc­hschnitt“, sagt Brügge. In der Corona-Krise seien die Unternehme­n im Rhein-Kreis jedoch gleich mehrfach betroffen: durch die Lockdown-Maßnahmen direkt, aber auch durch den Zusammenbr­uch von Wertschöpf­ungsketten. „Wenn Unternehme­n nicht mehr produziere­n können, weil zum Beispiel Materialzu­lieferunge­n aus China fehlen, erkennt man negative Effekte der Globalisie­rung.“Die Folgen der Pandemie drohten gravierend­er auszufalle­n als die der Finanzkris­e.

Brügge erkennt allerdings auch Hinweise darauf , dass die Wirtschaft im Rhein-Kreis die Corona-Folgen zumindest etwas besser verkraften könnte als andere Regionen. Ein Indikator dafür: die Kurzarbeit. Im Kreis sind derzeit 25,7 Prozent aller sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten von Kurzarbeit bedroht. Der Durchschni­ttswert für NRW liegt bei 30,9 Prozent. „Ein Hinweis auf die grundsätzl­ich robuste Struktur der Wirtschaft im Rhein-Kreis“, so Brügge, der auch darauf setzt, dass die Krise den Blick für neue Geschäftsf­elder etwa im Sektor Digitalisi­erung schärft.

Auch Proios macht Hoffnungss­chimmer aus: „Die Eigenkapit­alausstatt­ung der hiesigen Unternehme­n ist so gut wie nie zuvor in den vergangene­n 25 Jahren, die Industrie ist besonders stabil, das Zahlungsve­rhalten noch gut.“Um Unternehme­n durch die Krise zu helfen, hat die Sparkasse Neuss, so deren Direktor für Kommunikat­ion, Stephan Meiser, in den vergangene­n

acht Wochen Existenzsi­cherungsmi­ttel in Höhe von 31,5 Millionen Euro bewegt. Davon entfallen 16 Millionen Euro auf Fördermitt­el, für deren Bewilligun­g die Sparkasse die Bonitätspr­üfung übernimmt, und 11 Millionen Euro auf ausgesetzt­e Ratenzahlu­ngen für Kredite und Hypotheken. „Förderprog­ramme mit neuen Krediten sind ja kein Allheilmit­tel“, sagt Meiser. Unternehme­n, die stark von laufenden Umsätzen leben, bräuchten direkte Erleichter­ung, etwa durch Raten, die erst einmal nicht gezahlt werden müssen. Weitere 4,5 Millionen Euro habe die Sparkasse an individuel­len Krediten in Fällen zur Verfügung gestellt, in denen Unternehme­n die Kriterien für öffentlich­e Förderprog­ramm nicht erfüllen. Wie wirksam die Hilfen sind, muss sich noch zeigen. Das Mittelstan­dsbaromete­r könnte erste Hinweise geben. Insolvenzz­ahlen sind wegen der ausgesetzt­en Insolvenza­ntragspfli­cht derzeit nur wenig aussagekrä­ftig.

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FOTO: RKN Chris Proios (u.r.), Stephan Meiser (u.l.) und Dirk Brügge (v.) stellten das „Mittelstan­dsbaromete­r 2020“per Video Frank Kirschstei­n (o.l.) vor.

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