Corona-Erklärstunde im Bundestag
Es ist ein recht bemerkenswerter Bundestags-Auftritt von Angela Merkel. Befragung durch die Bundesregierung, 66 Minuten. Das Plenum ist mit einem oder zwei Corona-Abstandsplätzen zwischen den Volksvertretern bis in die letzte Reihe gut besucht. Das gesamte Alphabet der Krisen- und Corona-Politik wird an diesem Tag abgefragt: Kurzarbeit und Existenzvernichtung durch die AfD, Tracing-App, Impfstoff und Künstlerrettung durch die
FDP, der jüngste Quarantänefall im Kreis Coesfeld nach Masseninfektionen in einem Fleischbetrieb durch die Union, dunkle Machenschaften russischer Geheimdienste durch die Grünen, Klimaschutz und europäische Geldpolitik durch die SPD sowie Unterstützung für Mitarbeiter in Pflege und Gesundheit durch die Linke.
Merkel schüttelt alle Antworten scheinbar spielend aus dem Ärmel, hat Details, und wo sie nicht ganz so sattelfest wirkt, kontert sie mit Humor. Dem Linken-Abgeordneten Harald Weinberg etwa bietet sie an, er möge ihr getrost eine Zusammenfassung seiner Eindrücke aus dem Gesundheitswesen zukommen lassen. Sie werde alles lesen, denn: „Ich ja ein aufmerksamer, ja, Zeitmensch, um nicht Genosse zu sagen“, gibt Merkel dem Genossen Weinberg mit in den Tag. Heiterkeit im Plenum. Fragen zu möglichen, wahrscheinlichen oder sonst irgendwie geplanten Steuererhöhungen oder Vermögensabgaben zur Finanzierung der Corona-Folgen bügelt sie hingegen ab.
Nichts geplant. Denn: „Sonst wären wir Zukunftsvorherseher, und das maße ich mir nicht an“, sagt Merkel. Man stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob es auch eine Vorhersehung für die Vergangenheit gibt. Bekanntlich kommen von dort ja die größten Propheten.
Einen Kilometer Luftlinie von Merkel entfernt lobt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) das tolle Mannschaftsspiel der Bundesregierung. Man gehe richtig gern zur Arbeit. Vorne die Kanzlerin, um sie versammelt die Mannschaft, auch er: „Man stimmt sich ab, und dann wird gemeinsam marschiert.“In diesem Fall wieder in Richtung offener deutscher und europäischer Grenzen. Der Bundesminister für die Innere Sicherheit, für die Gefahrenabwehr und auch Minister für den Sport, freut sich auf das Wochenende.Wegen der Lockerung der Grenzkontrollen und wegen des Neustarts der Fußball-Bundesliga. Wenn sich das „Infektionsgeschehen“wieder verschlechtere, werde man reagieren. Und zur Bundesliga sagt er: Ein Stück Lebensfreude und Lebensinhalt kehre damit zurück.
Wieder drüben im Bundestag. Dort sagt die Bundeskanzlerin gerade, Ziel sei, dass ab dem 15. Juni die Kontrollen im Schengen-Raum vollständig entfallen. An der Stelle ist man wieder bei Seehofer und Merkel. War da nicht einmal was? Ach, was. Seehofer schwärmt von „wunderbaren Wochen“. Toller Teamgeist. Große Krisen bewältige man nur gemeinsam. Das schweißt zusammen.
Mit Pech und Schwefel gegen Corona.