Bundesliga: Den Neussern fehlt der Kick
Am Wochenende rollt nach der Corona-Pause wieder der Ball. Bei den Fanclubs kommt aber noch keine Stimmung auf.
NEUSS Eigentlich war alles in trockenen Tüchern: Mit einer rund 50-köpfigen Truppe wollten sich die „Novesia Allstars“am kommenden Wochenende auf den Weg nach Frankfurt machen, um dort ihren Herzensverein Borussia Mönchengladbach beim schwierigen Auswärtsspiel gegen die Eintracht zu unterstützen. Sogar der Bus war bereit gechartert. Doch wegen der Corona-Pandemie mussten sämtliche Pläne dieser Art gecancelt werden. „Jetzt schaut jeder für sich“, sagt Michael Rotte, Vorsitzender des 2009 gegründeten Fanclubs, der mehr als 200 Mitglieder hat. Dass ab Samstag der Ball in der Fußball-Bundesliga nach wochenlanger Corona-Pause wieder rollt, sieht der 59-Jährige mit gemischten Gefühlen. „Ich freue mich, wieder Bundesliga gucken zu können, hätte aber auch Verständnis dafür gehabt, wenn die Saison abgebrochen worden wäre.“Doch die Entscheidung, den Ligabetrieb wieder aufzunehmen, betreffe nicht nur Fans aus Deutschland.„Ein Freund aus Glasgow hat mir gesagt, dass er am Wochenende Bundesliga schauen wird. Dort steht ja derzeit noch alles still“, sagt Rotte schmunzelnd. Einen ersten Einblick in das, was auf die Fans amWochenende zukommt, habe er bereits beim Derby zwischen Gladbach und dem 1. FC Köln sammeln können, das als erstes „Geisterspiel“in die Bundesliga-Geschichte einging. Rotte ist ähnlicher Meinung wie Schiedsrichter Deniz Aytekin, der nach dem Spiel sagte: „Ohne Fans ist Fußball nicht mal halb so viel wert.“
Jenes Derby hat auch Hans-Peter Neukirchen aus Hoisten vor dem Fernseher erlebt und ebenfalls eine ernüchternde Bilanz gezogen:„Es kommt einfach keine Stimmung auf“, sagt derVorsitzende des FC-Köln-Fanclubs„Op de Eck“. Seitdem er denken kann ist der 63-Jährige Fan des FC. An so eine „verrückte“Phase könne er sich aber nicht zurück erinnern. Gerne fährt er mit seinen Freunden ins Rhein-Energie-Stadion, schaut Auswärtsspiele aber auch mal im nahegelegenen „Geißbockheim“oder in der Kneipe „Zum Prinzen“von Lukas Podolski in der Kölner Altstadt. Das kommende Spiel am Sonntag gegen Mainz werde er aber wohl alleine in seinem Keller gucken. Nach wochenlanger Pause haben sich Neukirchen und weitere Fußball-Fans am Mittwoch erstmalig wieder in der Kneipe„Op de Eck“in Hoisten getroffen, wo normalerweise angeregt über die kommenden Bundesligaspiele diskutiert wird. „An diesem Mittwoch waren die Gespräche anders“, sagt der 63-Jährige.
Anders ist die Situation auch für Werner Galka von der „Wunderbar“. Normalerweise ist an einem klassischen Bundesliga-Samstag die „Hütte“voll. „Die meisten Tische werden im Vorfeld reserviert“, sagt der Gastronom. Wegen der großen Leinwand können auch die Gäste auf der Terrasse Bundesliga-Luft schnuppern. Im Clubraum wird zudem ein Einzelspiel gezeigt.
Auch die Übertragung des Topspiels um 18.30 Uhr gehört fest zum Programm. Doch in diesen Wochen ist die Leinwand eingerollt und die „Wunderbar“an der Neustraße leer. „Aktuell weiß ich noch nicht, wann ich wieder aufmachen möchte“, sagt Galka. Im Mai werde er auf keinen Fall wiedereröffnen. Das Problem seien die Abstandsregelungen, die er in den Räumlichkeiten nicht zu 100 Prozent umsetzen könne.
Klaus Patzelt, Vorsitzender des Neusser Fortuna-Düsseldorf-Fanclubs „Novesia 1895“, hat eine klare Meinung: Obwohl der 59-Jährige glühender Fußball-Fan ist, hätte er auf die Geisterspiele gerne verzich
tet und plädiert stattdessen für einen Abbruch der Saison.„Dann gibt es keine Absteiger, sondern nur Aufsteiger – und in der kommenden Saison wird die Bundesliga eben aufgestockt“, sagt er. Dass Vereine wie seine Fortuna, die im Vergleich zu anderen Teams nicht über die Masse an individueller Klasse verfügt, nun auf den „12. Mann“verzichten muss, bezeichnet er als „Wettbewerbsverzerrung“. Zudem sei es der Bevölkerung nur schwer vermittelbar, dass Fußball-Profis zahlreiche Corona-Tests machen, während der „normale“Bürger teilweise lange darauf warten muss.„Ich vermisse einfach eine klare Linie“, sagt er.