Rheinische Post

Kriminalit­ät ist allein eine soziale Frage

- VON DOROTHEE KRINGS

Die Polizei in Stuttgart steht unter Druck seit der Krawallnac­ht vom 21. Juni, bei der 32 Beamte verletzt und Teile der Innenstadt verwüstet wurden. Denn der Einsatz lief ja auch deswegen so erschrecke­nd aus dem Ruder, weil die Einsatzkrä­fte vom Aggression­spotenzial der meist jugendlich­en Randaliere­r überrascht wurden. Dass die Beamten nun genauer wissen wollen, warum es zu dieser Eskalation kam, ist verständli­ch. Allerdings sollte die Polizei sich dabei auf die üblichen Ermittlung­smethoden konzentrie­ren.„Stammbaumf­orschung“jedenfalls sollte nicht dazugehöre­n. Denn zu ermitteln, ob Beschuldig­te, die einen deutschen Pass besitzen, vielleicht Eltern oder Großeltern haben, die nicht in Deutschlan­d geboren wurden, tut nichts zur Sache. Es bedeutet nur, kriminelle­s Verhalten an einem untauglich­en Kriterium festzumach­en, nämlich an der kulturelle­n Identität. Und das ist Rassismus.

Dabei ist es zweitrangi­g, ob der Stuttgarte­r Polizeiprä­sident Franz Lutz das Wort „Stammbaumf­orschung“in den Mund genommen hat, wie eine Zeitung berichtete, oder ob er ohne diese populistis­che Vokabel erklärt hat, dass pauschal die nationale Identität der Familien der Beschuldig­ten überprüft werden soll. Natürlich muss sich die Polizei ein Bild vom sozialen Umfeld der Randaliere­r machen dürfen. Aber entscheide­nd ist dabei das soziale Milieu, nicht die kulturelle Herkunft. In Zeiten, in denen dieser Unterschie­d von Populisten für ihre Sündenbock-Rhetorik gern verwischt wird, muss die Staatsmach­t umso sensibler handeln und sich eindeutig äußern.

Denn die Gefahr ist groß, dass sonst das Vertrauen in einen Grundwert unseres Zusammenle­bens abhanden kommt: dass jeder Mensch in Deutschlan­d gleich behandelt wird – auch wenn er sich etwas hat zuschulden kommen lassen.

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