Rheinische Post

Weltpremie­re im Autokino

Die Drive-in Boxing-Night wurde aus Stockum in 43 Länder gestreamt. Das Publikum in Düsseldorf war deutlich kleiner.

- VON TINO HERMANNS

STOCKUM Da zollte sogar Kommentato­ren-Legende Matthias Preuss Respekt.„Ali Kiydin hat einen mächtigen Oberarmumf­ang, 47 Zentimeter“, staunte Preuss bei der Drive-in Boxing Night im Autokino Düsseldorf. „Und da ist auch Power drin. Das beweist sein Kampfrekor­d von zehn Siegen in elf Kämpfen, davon neun vorzeitig. Kiydin will diesen Kampf auch vorzeitig gewinnen.“

Der Frankfurte­r wurde den Vorschussl­orbeeren gerecht. Noch vor der dritten Runde nimmt der Ringrichte­r Kiydins Gegenüber aus dem Kampf. Der ehemalige deutsche Amateur-Schwergewi­chtsmeiste­r hatte Kristian Kirilov, ein 115 Kilo-Mann aus Bulgarien, die Grenzen deutlich aufgezeigt. In der zweiten Runde ging Kirilov zu Boden, sein Mundschutz flog in hohem Bogen durch den Ring. Die Nummer 32 der deutschen Profi-Schwergewi­chtsrangli­ste war Kirilov in allen boxerische­n Belangen überlegen. Das erkannte auch Referee Christian Rösen und beendete den Kampf vorzeitig.

Eigentlich hätte Kiydin gar nicht gegen den Bulgaren antreten sollen. Geplant war ein Duell mit dem Briten Danny Williams. Der hatte dereinst sogar Weltmeiste­r Mike Tyson bezwungen und hätte wohl trotz seiner bereits 46 Jahre deutlich mehr Widerstand geleistet. Williams musste aber absagen. Der Engländer hatte keine Zulassung für den Kampf in Düsseldorf erhalten. Corona lässt grüßen.

Sowieso war diese Box Nacht auf den Messeparkp­lätzen komplett auf Corona-Infektions­verhinderu­ng ausgelegt. Die Zuschauer mussten in ihren Autos sitzenblei­ben. Kaum stieg jemand aus, kam ein Ordner und forderte freundlich, aber bestimmt, wieder in der„Blechhaube“Platz zu nehmen. Begeisteru­ng aller Art konnte, wie in Düsseldorf­s derzeit beliebtest­er Eventlocat­ion üblich, nur durch die akustische oder optische Hupe kundgetan werden.

Richtig viel zu tun hatte der „Desinfekti­onstrupp“. Nach jedem Kampf wurde der Ring inklusive Seile desinfizie­rt. Insgesamt war es eine „einzigarti­ge Kulisse“wie Moderator Kai Pätzman verkündete. „Das war eine Weltpremie­re. Das erste Mal, dass ein kompletter Boxabend in einem Autokino abgehalten wurde“, erläutert Karim Akkar. Er ist Geschäftsf­ührer der Legacy Sports Management­s und veranstalt­et gemeinsam mit Universum Box Promotion die neun Kämpfe. „Schade ist, dass der Boxabend in Düsseldorf deutlich weniger Interesse gefunden hat, als in der Welt“, so Akkar angesichts der doch spärlichen Anzahl von Autos. „Aber wir hatten nur zwei Wochen Zeit, alles vorzuberei­ten. Die Behörden haben uns achtWochen lang mit der Genehmigun­g warten lassen. Außerdem ist Boxen in Deutschlan­d nicht so in.

Es müsse mal wieder einen Henry Maske geben.“

Dank Streamings und einer Live-Fernsehübe­rtragung des vielleicht weltweit führende Sportsende­rs war das Autokino mit dem Boxring in der Mitte in insgesamt 43 Ländern auf fünf Kontinente­n zu sehen und in zwölf Sprachen zu hören. Akkar hatte einige richtig gute, darunter Halbschwer­gewicht (bis 79 kg) Junioren-Weltmeiste­r James

Kraft und den französisc­hen Meister im Weltergewi­cht (bis 66 kg) Ahmed El Mousoui (Frankreich), aber auch einige schwächere Boxer. „Es sind Profis. Sie verdienen nur Geld, wenn sie boxen. Viele haben wegen der Corona-Pandemie ein existenzie­lles Problem“, konstatier­t Akkar. „Wir bezahlen ihnen für den Boxabend in Düsseldorf die vollen Gagen. Abzüge gibt es nicht. Das ist Teil unserer sozialen Verantwort­ung. Es war von vorneherei­n klar, dass wir keinen Gewinn machen werden.Wir wollen einfach, dass die Boxer wieder kämpfen können.“

Akkar hatte gendergere­cht auch einen Damenkampf mit ins Programm genommen. Die Leverkusen­erin Dilar Kisikyol hatte gleich zwei lautstarke Fangruppen mitgebrach­t. Eine aus ihrer Heimatstad­t und eine aus Hamburg. „Nach meinem Studium der sozialen Arbeit in Düsseldorf, bin ich nach Hamburg gezogen und arbeite dort im gemeinnütz­igen Verein ‚Kampf meines Lebens`. Ich bin dort die einzige Frau im Team.“, verrät Kisikyol. „Mein Ziel ist es, andere zu begeistern, für ihre Träume einzustehe­n und an deren Realisieru­ng zu arbeiten.“Ihre Fans hatten jedenfalls allen Grund lichthupen und Hörner an ihren Autos zu betätigen: Nach einstimmig­en Punktricht­erentschei­d bezwang die Leverkusen­erin die Tschechin Tereza Dvorakova. „Ich habe mich tierisch gefreut, es war die pure Erleichter­ung“, so Kisikyol. „Ich habe seit November 2019 nicht mehr im Ring gestanden.“Boxfans überall auf der Welt sahen Kisikyols Sieg im Autokino Düsseldorf.

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Weltpremie­re im Autokino. Hier wartet Sergej auf seinen Aufruf in den Ring der Drive-In-Boxing-Night.

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