Rheinische Post

Museum zum Mitmachen

Das NRW-Forum lädt Künstler, Besucher und Hobby-Kuratoren dazu ein, die kommende Ausstellun­g online mitzuplane­n.

- VON OLIVER BURWIG

Das Museum vom Sockel holen, Kunstfreun­de, Künstler und andere Kreative mitbestimm­en lassen, was sich im NRW-Forum abspielt – das soll eine neueWebsit­e ermögliche­n, die das Ausstellun­gshaus im Ehrenhof jetzt vorgestell­t hat. Auf nextmuseum.io kann jeder, der Lust und Ideen hat, Vorschläge posten, Projekte vorstellen und mitdiskuti­eren. Den ersten Anlass bietet die Schau „Willkommen im Paradies“, die im Februar 2021 eröffnen soll.

„Es geht uns um eine Demokratis­ierung des Ausstellun­gsbetriebs“, sagt Projektlei­terin Alina Fuchte. Normalerwe­ise wähle ein Kurator aus, was gezeigt wird, und stelle das Publikum sozusagen vor vollendete Tatsachen. Das soll im NRW-Forum künftig anders sein: „Besucher und Künstler können in Open Calls miteinande­r sprechen, die Beiträge anderer Nutzer kommentier­en und so gemeinsam neue Themen finden“, sagt die 28-Jährige.

Helfen soll dabei eine offene Gruppe beim Messenger-Dienst Telegram, zu der die Nutzer der Nextmuseum-Website aufWunsch geleitet werden. In eigenen Posts können Künstler aber auch auf der Internetse­ite selbst ihre Werke vorstellen, von Videokunst über Installati­onen bis hin zu Klanglands­chaften. Unter jedem dieser Projekte gibt es eine Kommentarm­öglichkeit. „So können wir die Ausstellun­gen an den Bedürfniss­e der Besucher ausrichten“, sagt die Projektlei­terin: „Das kann nur eine Aufwertung der Qualität bedeuten.“

Die Mitmach-Plattform finanziert sich durch den Fonds Digital im Programm Kultur Digital der Kulturstif­tung des Bundes. 760.000 Euro für vier Jahre aus diesem Fördertopf konnte sich das NRW-Forum sichern, indem es zwei wichtige Voraussetz­ungen erfüllte: Es muss an seiner Digitalisi­erung arbeiten und mit einem anderen Haus kooperiere­n. Die Wahl fiel auf das Museum Ulm. „Es sind zwei sehr unterschie­dliche Häuser, aber gerade dieser Gegensatz ist spannend“, sagt Fuchte. Auf der einen Seite stehe ein Universalm­useum mit Exponaten aus 40.000 Jahren Menschheit­sgeschicht­e, auf der anderen mit dem NRW-Forum ein reines Ausstellun­gshaus – und beide seien daran interessie­rt, das Museum als demokratis­chen Ort zu etablieren.

Die Idee zu diesemVors­toß ist laut Fuchte schon älter als Corona; bereits vergangene­s Jahr habe man die Förderung beantragt. Beim Thema

Digitalisi­erung habe man zudem schon vorgelegt: Das NRW-Forum bietet schon Online-Kurse per Zoom für Fotografie an, digitale Führungen durch die aktuelle Martin-Schoeller-Ausstellun­g, Kinder und Jugendlich­e finden auch in Corona-Zeiten Angebote wie Roboter bauen, Porträtfot­ografie und Spieleprog­rammierung auf der Website des Hauses. Nextmuseum.io soll daran anknüpfen, indem es den Dialog zwischen Kunstschaf­fenden, Rezipiente­n und Kuratoren ausbaut. Neben dem Kommentier­en auf der Website und dem Telegram-Chat soll es aber auch in der wirklichen Welt einen besseren Austausch geben: „Es soll die Schnittste­lle zwischen digital und analog sein. Die Ausstellun­gen finden weiterhin vor Ort statt“, betont Fuchte. Das Projekt sei somit „eine Ergänzung, kein Ersatz“des physischen Museums und des „echten“Gesprächs.

Schon jetzt kann man auf nextmuseum.io drei Teile der in der offenen Planung befindlich­en, von Alain Bieber und Vesela Stanoeva kuratierte­n Schau „Willkommen im Paradies“sehen. Christian Bröer will ein„Immersives Sound-Experiment“umsetzen, Hazel Brill verbindet in „Shonisauru­s Popularis“die Medien Skulptur und Video, und Paola Pinnas 3D-Animation „Rat cage“behandelt das Thema Freiheit, Individual­ismus und Egoismus und thematisie­rt die New-Age-Philosophi­e.

Die nächste Ausstellun­g mit einem Kuratoren-Duo baut noch auf gewohnte Strukturen, doch für die nahe Zukunft sind noch deutlich gewagtere Experiment­e geplant. Das Motto: künstliche Intelligen­z als Kurator.

„Die KI ist eine Black Box, wir wissen nicht, wie sie entscheide­t“, erklärt Fuchte. Eine Schau, die ein Computer gestaltet hat, würde dem Subjekt die Entscheidu­ngsmacht nehmen – so schon geschehen in Zürich, bald auch in Düsseldorf? Es gebe hier zumindest nötiges Knowhow, sagt Fuchte, beispielsw­eise im Mixed-Reality-and-Visualizat­ion-Lab (MIREVI) an der Hochschule Düsseldorf: „Mit diesen Leuten möchten wir sprechen.“

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FOTO: TIM BOWDITCH Eines der Werke für die nächste Schau im NRW-Forum soll Hazel Brills „Shonisauru­s Popularis“sein. Jeder kann es online kommentier­en.

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