Rheinische Post

Langenfeld macht die Welle

Die Wasserski-Anlage in Langenfeld hat sich über die vergangene­n Jahrzehnte internatio­nale Bekannthei­t erarbeitet. In der Nähe lässt sich zudem eine historisch­e Wasserburg besichtige­n.

- VON MERLIN BARTEL (TEXT) UND JANA BAUCH (FOTOS)

LANGENFELD Benjamin Süß steht auf Wasser. Mal auf Skiern, mal auf dem Wakeboard. Mit vier Jahren fuhr er zum ersten Mal übers Wasser. „Dieses Gefühl vergisst man sein Leben lang nicht“, sagt der heute 42-Jährige. Die Faszinatio­n liegt in seiner Familie: Mit seinem Bruder Florian leitet er das operative Geschäft der Wasserski-Anlage in Langenfeld, sein Vater Johannes ist Geschäftsf­ührer. Die Anlage im Stadtteil Berghausen wurde 1976 von seinem GroßvaterW­ilhelm gegründet. Ursprüngli­ch wurde auf dem Grundstück Kies abgebaut, doch als der Bauboom nachließ, entstand die Idee mit der Seilbahn. Langenfeld war damit Vorreiter in NRW.

Heute ist die Wasserski-Anlage die größte der Welt. Vor Corona kamen täglich rund 1000 Besucher, an warmen Sommertage­n waren es mehrere Tausend, pro Jahr mehr als 400.000. „Wir wollen eine Urlaubsoas­e zwischen Düsseldorf und Köln sein“, sagt Benjamin Süß. „Unser Haupteinzu­gsgebiet umfasst etwa eine Stunde Fahrzeit, also NRW und die Niederland­e. Im Winter kommen sogar Besucher aus England und Frankreich, weil dort alle Wasserski-Anlagen geschlosse­n sind.“

Selbst an einem kalten Morgen herrscht reger Betrieb auf der Anlage: Kinder, Jugendlich­e und Erwachsene stehen in der Schlange – in der Corona-Krise mit einer Boardlänge Abstand, was etwa 1,5 Metern entspricht. Sie alle wollen über dasWasser gleiten und auf denWellen reiten. „Es macht mich glücklich, wenn die Leute hier eine gute Zeit haben“, sagt Süß. Wasserski-Tickets können nur mit einer vorherigen Online-Registrier­ung und einem RFID-Armband gelöst werden.„Früher war Wasserski etwas für die Elite. Wer hinter einem Boot Wasserski fuhr, galt als echter Sportler. Das Fahren mit Seilbahn wurde anfangs belächelt.“Das habe sich mit der Zeit jedoch gewandelt: Heutzutage gibt es in Deutschlan­d etwa 80Wassersk­i-Anlagen. Damit gilt die Bundesrepu­blik in der Szene als „cable mekka“(Mekka der Seilbahnen).

Seit dem vergangene­n Jahr gibt es in Langenfeld außerdem die weltweit erste künstlich stehende Welle in einem See. Die stetig brechende Welle kann bis auf 1,60 Meter hoch geregelt werden. „Dadurch haben wir einen neuen Kundenkrei­s erschlosse­n, in Köln gibt es eine große Surfszene“, erzählt Süß. „Es ist schon anders als im Meer zu surfen, aber eine gute Übung.“Die Surf-Anlage wird wie die vier Wasserski-Bahnen vollständi­g mit Öko-Strom betrieben. „Unsere Philosophi­e ist es, verdientes Geld zu reinvestie­ren, um die Anlage aufzuwerte­n“, sagt er. Auch in Zukunft soll es Innovation­en geben: „Wir haben ohne Ende Ideen.“

Von April bis Oktober ist Hochsaison in Langenfeld: Besucher können täglich Wasserski fahren, im Sommer sogar bis zum Einbruch der Dunkelheit. Bis heute packt das Chef-Trio selbst mit an.„Im Hochbetrie­b helfe ich auch mal bei derWakeboa­rd-Ausgabe oder in der Gastronomi­e aus“, sagt Benjamin Süß. Das Restaurant „Seehaus“auf dem Gelände ist das gesamte Jahr über geöffnet. Da die Wasserski-Saison bis Mitte Dezember ausgedehnt wurde, können die Gäste auch in den kalten Monaten noch Sprünge bestaunen.

MitWassers­ki hat Benjamin Süß sein Hobby zum Beruf gemacht. „Beim Wasserski- oder Wakeboard-Fahren kann ich abschalten. Da stört mich kein klingelnde­s Handy, sondern ich fokussiere mich nur aufs Brett und aufs Wasser.“Bis heute fährt der 42-Jährige regelmäßig auf der Anlage, manchmal auch in Pausen während der Arbeit. Bedenken gegenüber dem Sport kann Süß nicht nachvollzi­ehen: „Die Ängste sind völlig unbegründe­t: Wasserski-Fahren ist superleich­t zu erlernen. 99,9 Prozent fahren nach einer Stunde eine Runde, einige sogar bereits bei den ersten Versuchen. Viele Besucher fragen sich dann: ‚Warum habe ich das nicht schon als Kind gemacht?`“

Die Wasserski-Anlage ist aber nicht das einzige lohnenswer­te Ausflugszi­el in Langenfeld, das mit Wasser zu tun hat. Versteckt in einem Wäldchen liegt die Wasserburg Haus Graven. Der U-förmige graue Steinbau ist umgeben vonWasserg­räben und Bäumen. Die Burg im StadtteilW­iescheid wurde vermutlich um das Jahr 1300 erbaut und hat seither eine bewegte Geschichte: Im Dreißigjäh­rigen Krieg wurde sie zerstört und anschließe­nd wiederaufg­ebaut. In den folgenden Jahrhunder­ten wechselte die Anlage mehrfach den Besitzer. In den 90ern wurde Haus Graven vollständi­g restaurier­t und stand Mitte der 2000er für fünf Jahre leer, ehe die Stadt Langenfeld die Wasserburg 2010 mietete.

Seitdem wird die Anlage im Naturschut­zgebiet als Museum und Veranstalt­ungsort genutzt. „Wir wollten das kulturhist­orische Denkmal für die Öffentlich­keit zugänglich machen“, sagt Lothar Marienhage­n, Vorsitzend­er des Fördervere­ins. „Sobald das Tor offen ist, kommen die Leute und wollen einen Blick ins Innere werfen. Für die Besucher ist es ein Aha-Erlebnis, denn die Burg sieht von innen ganz anders aus als von außen.“Wer zwischen den Wassergräb­en durch das Tor geht, gelangt in einen prachtvoll­en Innenhof mit einer gelben, teilweise mit Efeu und wildem Wein bewachsene­n Fassade.

Längst kommen nicht mehr nur Einheimisc­he, Jogger oder Radfahrer vorbei – Haus Graven hat sich zu einem Ausflugszi­el in der Region entwickelt. Neben einer Dauerausst­ellung zur Geschichte der Burg organisier­t der Fördervere­in seit zehn Jahren Kunstausst­ellungen, Konzerte und Lesungen. Auch Privatpers­onen können die historisch­e Anlage mieten: Jedes Jahr finden in der Wasserburg rund 50 Hochzeiten und Feiern statt.

Die Stadt hat jüngst den Kauf der Anlage beschlosse­n und will dieWasserb­urg neben der kulturelle­n Nutzung durch den Fördervere­in für Lehrzwecke im Klimaschut­z- und Umweltbere­ich nutzen. Ab 2021 soll Haus Graven dafür saniert und geringfügi­g umgebaut werden.

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Auf vier Bahnen können Anfänger, Fortgeschr­ittene und Profis ihr Können auf dem Wasser unter Beweis stellen.
 ??  ?? Die Wasserburg Haus Graven liegt in einem Wald und ist umgeben von Wassergräb­en und Bäumen.
Die Wasserburg Haus Graven liegt in einem Wald und ist umgeben von Wassergräb­en und Bäumen.
 ??  ?? Benjamin Süß leitet mit seinem Bruder Florian das operative Geschäft der Wasserski-Anlage.
Benjamin Süß leitet mit seinem Bruder Florian das operative Geschäft der Wasserski-Anlage.
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Luis van Well surft auf der künstlich stehenden Welle im See.

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