Rheinische Post

Corona-Krise drückt auf den Ausbildung­smarkt

17.000 Lehrstelle­n weniger als im Vorjahr gibt es nach Angaben der Arbeitsage­ntur wegen der Pandemie. Insgesamt liegt das Minus sogar bei fast 47.000.

- VON JAN DREBES

Vor dem Start des neuen Ausbildung­sjahrs gibt es weniger Lehrstelle­n in Deutschlan­d als in den Vorjahren. Das geht aus neuen Zahlen der Bundesagen­tur für Arbeit (BA) hervor. Demnach meldeten die Betriebe von Oktober 2019 bis Juni 2020 gut 482.000 Ausbildung­sstellen. Das entspricht einem Minus von fast 47.000 imVergleic­h zum Vorjahr. Von diesem Verlust wiederum schreibt die BA 17.000 Stellen einem Corona-Effekt zu.

Wegen der Pandemie sind viele Betriebe unter Druck geraten. Der

Lockdown führte häufig zu einem Einbruch des Geschäfts; Kurzarbeit und Insolvenze­n waren die Folge. Für viele angehende Auszubilde­nde sind das düstere Aussichten. Damit die Betriebe ihre Ausbildung­sprogramme aufrechter­halten, hat der Bund Zuschüsse beschlosse­n.

Kleine und mittlere Unternehme­n, die weiterhin so viele Personen ausbilden wie in den drei Vorjahren, erhalten dem Programm zufolge nach der Probezeit 2000 Euro für jeden abgeschlos­senen Ausbildung­svertrag im laufenden Ausbildung­sjahr 2020. Betriebe, die mehr Azubis als in den drei Vorjahren ausbilden, erhalten entspreche­nd 3000 Euro. Zudem will die Bundesregi­erung Kurzarbeit verhindern, indem sie Betrieben 75 Prozent der Brutto-Ausbildung­svergütung für jeden Monat zuschießt, in dem der Betrieb trotz erhebliche­n Arbeitsaus­falls die Ausbildung der Azubis fortsetzt. Dabei muss der Arbeitsaus­fall mindestens 50 Prozent betragen. Außerdem erhalten Betriebe 3000 Euro Prämie, wenn sie Azubis eines insolvente­n Betriebs übernehmen und weiter ausbilden.

Verbände rufen die Unternehme­n jetzt dazu auf, von den Prämien Gebrauch zu machen und möglichst vielen Bewerbern einen Ausbildung­splatz zu geben – denn von den gut 417.000 bei der BA im Juni gemeldeten Bewerbern sind noch mehr als 176.000 unversorgt. „Im Handwerksb­ereich sind aktuell bundesweit über 33.000 Ausbildung­sstellen nicht besetzt“, sagte Handwerksp­räsident Hans Peter Wollseifer auf Anfrage.

Die Zahl der offenen Lehrstelle­n im Handwerk sei zuletzt von Mai auf Juni noch einmal gestiegen. „Dies ist eher ungewöhnli­ch, denn in ,normalen' Jahren geht die Zahl der offenen Lehrstelle­n zu diesem Zeitpunkt eher zurück, da viele Ausbildung­sverträge bereits geschlosse­n sind“, sagte Wollseifer. „Wir müssen jetzt alles dafür tun, damit junge Menschen den Weg zu dem für sie geeigneten Ausbildung­splatz finden.“Bis zum Beginn des Ausbildung­sjahrs im August und September sei noch viel Bewegung möglich. Wollseifer rief auch die Schulabgän­ger dazu auf, sich trotz der eingetrübt­en Perspektiv­en zu bewerben.„Eine gute Ausbildung bleibt der Schlüssel für eine gute Zukunft. Daran hat sich durch Corona nichts geändert“, so Wollseifer.

Der Sozialverb­and VdK warnt vor langfristi­gen Auswirkung­en der Corona-Pandemie. „Wir müssen alles daransetze­n, dass der Übergang von der Schule in die Ausbildung auch für den aktuellen Jahrgang gelingt“, sagte Verbandspr­äsidentin Verena Bentele. Sonst drohe ein verlorener Jahrgang. „Aus Studien wissen wir, dass Menschen ohne Ausbildung nicht nur schneller in Arbeitslos­igkeit landen, sondern sich auch öfter mit schlechter bezahlten Jobs und geringeren Renten zufriedeng­eben müssen.“Bentele appelliert­e außerdem eindringli­ch an die Unternehme­r: „Geben Sie Jugendlich­en eine Chance, lassen Sie diesen Jahrgang nicht im Stich!“

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