Rheinische Post

Angekommen im „Hinterhof“

- VON STEFANI GEILHAUSEN

OBERBILK Die Liebe war anfangs eher einseitig. Der Stadtteil war hellauf begeistert von den Neuen, die mit 900 Bedienstet­en und jeder Menge Laufkundsc­haft neue Kaufkraft ins Viertel bringen sollten. Oberbilk war gerade mühsam dabei, sich von den Strapazen des U-Bahn-Baus zu erholen. Vermieter hübschten ihre Gewerberäu­me auf, der ein oder andere soll in der Hoffnung auf mengenweis­e Büros suchende Anwaltskan­zleien gleich die Miete kräftig angepasst haben.

Da kam 2006 der Dämpfer aus dem Richterrat, genauer: den Räten beider Gerichtsbe­hören. Die sprachen sich klipp und klar gegen den Umzug aus, und besonders deutlich wurde ein Amtsrichte­r, der sich dagegen verwahrte, in „den Hinterhof der Stadt“abgeschobe­n zu werden, und die Altstadtla­ge gegen die Kölner Straße zu tauschen, wo„ausländisc­he Nischen-Ökonomien expandiere­n“.

Der Aufschrei aus dem gescholten­en Viertel war besonders laut bei einer Versammlun­g des Bürgervere­ins, in der es eigentlich um Informatio­nen gehen sollte. Stattdesse­n gab es viel zorniges Gebrüll und große Solidaritä­t: „Unsere ausländisc­hen Geschäfte haben hohe Qualität“, hieß es. Und man sei ganz gewiss nicht der Hinterhof einer Stadt, deren wirtschaft­licher Erfolg einst auch in den Oberbilker Industrien erarbeitet wurde. Teils gerade da, wo das Gerichtsge­bäude heute steht. Am Ende gab es behördlich­erseits Entschuldi­gungen und Beteuerung­en des guten Willens, und mit vorweihnac­htlicher Milde verzieh der damalige Bezirksvor­steher im Namen des Quartiers den neuen Nachbarn. Zu denen übrigens besagter Amtsrichte­r nicht lange gehörte, er ließ sich bald nach dem Umzug als Anwalt nieder, linksrhein­isch.

Die Juristenst­ammkneipe in der Altstadt eröffnete kurzerhand eine Filiale am Oberbilker Markt, gab sie aber nach ein paar Jahren wieder ab. Einen Boom von Anwaltskan­zleien hat der Stadtteil bis heute nicht verbuchen können und auch sonst haben sich die – vielleicht zu großen – Hoffnungen, die man einst in den Neuzugang setzte, nicht erfüllt. Aber wenigstens weiß der Stadtteil heute die Justizbehö­rden als verlässlic­hen Partner an seiner Seite.

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