Angekommen im „Hinterhof“
OBERBILK Die Liebe war anfangs eher einseitig. Der Stadtteil war hellauf begeistert von den Neuen, die mit 900 Bediensteten und jeder Menge Laufkundschaft neue Kaufkraft ins Viertel bringen sollten. Oberbilk war gerade mühsam dabei, sich von den Strapazen des U-Bahn-Baus zu erholen. Vermieter hübschten ihre Gewerberäume auf, der ein oder andere soll in der Hoffnung auf mengenweise Büros suchende Anwaltskanzleien gleich die Miete kräftig angepasst haben.
Da kam 2006 der Dämpfer aus dem Richterrat, genauer: den Räten beider Gerichtsbehören. Die sprachen sich klipp und klar gegen den Umzug aus, und besonders deutlich wurde ein Amtsrichter, der sich dagegen verwahrte, in „den Hinterhof der Stadt“abgeschoben zu werden, und die Altstadtlage gegen die Kölner Straße zu tauschen, wo„ausländische Nischen-Ökonomien expandieren“.
Der Aufschrei aus dem gescholtenen Viertel war besonders laut bei einer Versammlung des Bürgervereins, in der es eigentlich um Informationen gehen sollte. Stattdessen gab es viel zorniges Gebrüll und große Solidarität: „Unsere ausländischen Geschäfte haben hohe Qualität“, hieß es. Und man sei ganz gewiss nicht der Hinterhof einer Stadt, deren wirtschaftlicher Erfolg einst auch in den Oberbilker Industrien erarbeitet wurde. Teils gerade da, wo das Gerichtsgebäude heute steht. Am Ende gab es behördlicherseits Entschuldigungen und Beteuerungen des guten Willens, und mit vorweihnachtlicher Milde verzieh der damalige Bezirksvorsteher im Namen des Quartiers den neuen Nachbarn. Zu denen übrigens besagter Amtsrichter nicht lange gehörte, er ließ sich bald nach dem Umzug als Anwalt nieder, linksrheinisch.
Die Juristenstammkneipe in der Altstadt eröffnete kurzerhand eine Filiale am Oberbilker Markt, gab sie aber nach ein paar Jahren wieder ab. Einen Boom von Anwaltskanzleien hat der Stadtteil bis heute nicht verbuchen können und auch sonst haben sich die – vielleicht zu großen – Hoffnungen, die man einst in den Neuzugang setzte, nicht erfüllt. Aber wenigstens weiß der Stadtteil heute die Justizbehörden als verlässlichen Partner an seiner Seite.