Rheinische Post

Auch eine Frage des Gewissens

Eine Ordensfrau gewährt Kirchenasy­l – und wird dafür mit Strafe bedroht.

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Mechthild Thürmer war 17 Jahre alt, als sie zum ersten Mal das Kloster Maria Frieden bei Bamberg besuchte. Mit ein paar Freundinne­n. Sie wollten die Fenster streichen und mit ihrem Kaplan meditieren. Was sie dann dort erlebte, war echte Gemeinscha­ft, war eine Geborgenhe­it, die vielleicht besonders Menschen ohne Arg und Vorurteile gewähren können. Die unvoreinge­nommen offen sind für andere. Später ist Mechthild Thürmer ins Kloster eingetrete­n, Dominikane­rin und vor neun Jahren Äbtissin geworden.

Das, was sie als junge Frau erfahren konnte, beherzigt sie noch heute als inzwischen 62-Jährige. Auch darum ist das Kloster für sie kein hermetisch­er Ort, sondern immer auch ein Platz, an dem Menschen Geborgenhe­it und bedingungs­los Schutz finden. Dafür muss sie sich nun vor dem Staat verantwort­en, weil sie sich der Beihilfe zum unerlaubte­n Aufenthalt schuldig gemacht haben soll. Schwester Mechthild gewährte einer Kurdin Kirchenasy­l, der die Abschiebun­g nach Rumänien droht. Und da sie schon früher Asylsuchen­den Schutz gewährte, ist gar von einer Haftstrafe die Rede. Die Ordensfrau erschütter­t das nicht. Sie beruft sich auf eine Instanz, die nur schwer zu „widerlegen“ist: das eigene Gewissen. Nun sind

Kirchengru­ndstücke kein rechtsfrei­er Raum, und ein Asyl in einer Kirche kann eine Abschiebun­g nicht verhindern. Das weiß auch die Ordensfrau. Sie beherbergt die Kurdin in einem „offenen Asyl“und hat dies auch den Behörden gemeldet. Doch sie will das Asyl in ihrer Abtei erst beenden, wenn der Bund die Kurdin in ein nationales Verfahren übernommen hat, sagt sie. Kirchen sind Schutzräum­e von Menschen für Menschen. Es sind offene Räume. In ihnen herrschen Vertrauen zueinander und Respekt voreinande­r. Auch darin gründet sich ihre Stärke.

LOTHAR SCHRÖDER

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