Zwölf NRW-Städte deutlich über Vorwarnstufe
Großstädte wie Köln verschärfen ihre Beschränkungen. In Remscheid stoßen Mitarbeiter der Verwaltung an ihre Belastungsgrenzen.
REMSCHEID Burkhard Mast-Weisz blickt am Freitagnachmittag kurz aus dem Fenster seines Büros. 25 bis 30 Menschen sieht Remscheids Oberbürgermeister draußen in einer Warteschlange vor einem Container stehen, einem sogenannten Walk-in, wo man sich seit Mittwoch auf Corona testen lassen kann. „Schon am ersten Tag waren dort rund 150 Menschen. Jetzt sind es schon bald dreimal so viele pro Tag“, sagt Mast-Weisz. Ihn ärgert es, dass zunehmend Menschen aus der NachbarstadtWuppertal nach Remscheid zum Testen geschickt werden. „Das können wir nicht auch noch leisten“, sagt er.
In ganz NRW haben sich den Angaben des Landeszentrums Gesundheit (LZG) vom Freitag zufolge 28,6 Menschen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt, ein Plus von 1,6 im Vergleich zum Vortag. NRW hat seit Tagen die höchsten Ansteckungsraten aller deutschen Flächenländer. Über der wichtigen Grenze von 50 bei den Neuansteckungen lagen am Freitag bereits mehrere Städte wie Solingen (50,9), Herne (56,2), Hamm (74,5) und Remscheid (50,3). Insgesamt liegen damit von den 53 Kreisen und kreisfreien Städten in NRW nun zwölf deutlich über der Vorwarnstufe von 35, darunter einige nur knapp unterhalb der 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen. Die Entwicklung sei dynamisch und könne sich täglich ändern, betonen Experten.
Remscheid gehört zu den Städten in Deutschland, die den Inzidenz-Wert von 50 schon vor Tagen überschritten haben – und seitdem alles dafür tun, damit die Zahlen nicht noch weiter steigen. Mast-Weisz hat am Freitag aufmerksam die Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verfolgt und sich mit anderen Oberbürgermeistern über die verkündeten Maßnahmen ausgetauscht. „Für uns in Remscheid ist das nichts Neues gewesen. Das, was Frau Merkel gesagt hat, ist bei uns schon seit etwa zweiWochen täglich Brot“, sagte er.
Bei derVideoschalte mit der Kanzlerin dabei gewesen ist auch Kölns parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker, eins von elf teilnehmenden Stadtoberhäuptern. In Nordrhein-Westfalens größter Stadt, am Freitag mit einem Wert von 49,8 nur knapp unter 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen, werden von Samstag an die Einschränkungen für die Bürger weiter verschärft.
Maximal fünf Personen aus verschiedenen Haushalten dürfen sich noch in der Öffentlichkeit treffen. Ab 22 Uhr darf im öffentlichen Raum kein Alkohol mehr getrunken werden. Und an denWochenenden darf an Hotspots kein Alkohol mehr verkauft werden. Eine Sperrstunde werde zunächst aber nicht eingeführt, sagte Reker. In Fußgängerzonen gebe es nun eine Maskenpflicht. Bei privaten Feiern in angemieteten Räumen sind höchstens 25 Personen erlaubt. „Von Feiern in der eigenenWohnung raten wir dringend ab“, so Henriette Reker.
Das sind Maßnahmen, die Remscheid schon längst getroffen hat, als die Marke von 50 überschritten worden ist.„Wir habenVeranstaltungen begrenzt und Kontakte auf fünf Personen beschränkt, Maskenpflicht in Schulen eingeführt und Sportveranstaltungen eingeschränkt“, sagt der Oberbürgermeister.
In Remscheid arbeiten die städtischen Mitarbeiter am Limit. Ins
besondere die Kräfte des Ordnungsamtes sind gefordert. „Wir setzen sie ein, um die getroffenen Maßnahmen zu überwachen. Geschäfte und Kneipen müssen kontrolliert werden“, sagt Mast-Weisz.Viele Mitarbeiter hätten seit sieben Monaten kaum einen freien Tag gehabt. „Das ist eine riesige Belastung“, sagt der OB. Die Bundeswehr ist deshalb schon seit zweiWochen vor Ort, um zu unterstützen.
Die Soldaten helfen bei der Personen-Nachverfolgung und den Abstrichen im Altenheim. „Wir haben um Verlängerung gebeten“, sagt Mast-Weisz, der sich ärgert, dass die Bürger seiner Stadt zum Teil unter Generalverdacht gestellt werden, weil Remscheid als Risikogebiet gilt: „Das finde ich ungerecht.“
„Geschäfte und Kneipen müssen kontrolliert werden“ Burkhard Mast-Weisz OB Remscheid