Rheinische Post

Ich und meine Rituale

Gestatten – Lotte. Weimaraner-Hündin, sechs Jahre alt, ledig (freiwillig), ohne Nachwuchs (unfreiwill­ig), meist in Düsseldorf-Lörick lebend.

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Es hat ein wenig gedauert, aber nach ein bisschen Zeit hatte mein Mensch sie alle begriffen: Ich habe ihm ein paar Rituale beigebrach­t. Weil: Ich liebe Rituale.

Wenn wir zum Beispiel zu einer lange Wanderung starten, geht er an einen bestimmten Schrank, holt Leckerlis aus einer Dose und steckt sie ein für unterwegs. Jedes Mal tut er so, als würde ihm eines runterfall­en. Ich weiß das, stehe daneben, und fange es auf. War relativ leicht, ihm das klarzumach­en. Er ist wirklich erfreulich gelehrig. Obwohl wir direkt an den Rheinwiese­n wohnen, fahren wir manchmal ein Stück mit dem Auto, um mal woanders unsere Strecke abzulaufen, ich mag Abwechslun­g. Habe ich am Ende noch Lust auf einen richtigen Sprint, setze ich mich ein paar hundert Meter vom Auto entfernt ins Gras und schaue meinen Menschen nur ruhig an. Klug, wie er ist, begreift er sofort, was er zu tun hat: Er geht zum Wagen, steigt ein – und fährt los. Und ich renne parallel zum Auto über Felder und Wiesen, ihn von weitem stets im Blick. Das geht so über gut zwei Kilometer. Dann trabe ich hechelnd zurück zum Auto, mein Mensch öffnet die hintere Klappe, ich springe rein – und wir fahren nach Hause. Großartig.

Leicht war es auch, meinem Menschen einen kleinen Gefallen zu tun, von dem aber vor allem ich profitiere. Aus Gründen, die mir schleierha­ft sind, will er genau wissen, wie, ob und wie oft meine Verdauung funktionie­rt. Da ich für größere Erledigung­en immer diskret in ein Gebüsch oder weitab vom Weg gehe, kriegt er das aber nicht zuverlässi­g mit. Also haben wir vereinbart, dass das größere Geschäft jedes Mal mit einem kleinen Happen belohnt wird. Bin ich also fertig, renne ich zu ihm und stupse auf die Tasche, in der die Leckereien sind. Er freut sich angesichts dieser klaren Botschaft wie Bolle (dabei ist es meine Verdauung!) und rückt jedes Mal was raus. Den Trick hat er ebenfalls erstaunlic­h schnell draufgehab­t.

Er weiß außerdem, wo ich gerne aus dem Auto springe und schon mal eine kurze Strecke vorlaufe. Es gibt zwei Stellen abseits befahrener Straßen, an denen wir das tun – und jedes Mal ist der Ablauf gleich: Er stoppt, öffnet die hintere Klappe des Wagens (gut, dass das per Knopf von vorne geht!), ich springe raus und sprinte los. Finde ich prima, wie er das zuverlässi­g jedes Mal erledigt. Einige hundert Meter weiter warte ich auf ihn und springe zurück ins Auto.

Sein Mensch mag diese Übung übrigens gar nicht. Komischerw­eise meint sie, ich könnte dabei überfahren werden. So ein Quatsch – ich passe auf, und mein Mensch sowieso. Sobald er mich nicht mehr sieht, und wenn es nur Sekunden sind, stoppt er den Wagen. Passiert ist noch nie was, wir sind ja nicht blöd – und, wie gesagt, ein gutes Team!

Wenn ich nach einem langen Spaziergan­g einfach so wieder ins Auto soll, läuft auch das nach einem festen Muster. Mein Mensch öffnet die hintere Klappe, zieht seine Stiefel aus und andere Schuhe an, stellt die Stiefel in den Kofferraum und bittet mich dann freundlich, ebenfalls hinein zu springen. Das höre ich und verstehe es. Aber da ich der Meinung bin, dass auch in einem Hundeleben Leistung und Gegenleist­ung eine Rolle spielen, mache ich nichts – und gucke ihn nur an. So ungefähr wie „Mann-das-ist-aberziemli­ch-hoch-jetzt“. Stets hat mein Mensch ein Einsehen in diese Lage und wirft einen kleinen Hundekuche­n in mein Autoabteil und ich springe – plötzlich sehr leichtfüßi­g und mühelos – hinterher, um meine Belohnung zu kassieren.

Wie gesagt, er ist nicht dumm und lernt schnell.

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FOTO: HO Lotte ist die Hündin unseres Autors Hans Onkelbach.

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