Rheinische Post

Wie Co-Working in der Modebranch­e funktionie­rt

In Flingern entstehen Arbeitsplä­tze auf Zeit, eine Ideenschmi­ede und eine digitale Plattform für Designer.

- VON UTE RASCH

FLINGERN Ein rauer Betonboden, ruppige Fabrikwänd­e, eine leere Fläche – und in der Mitte eine schlichte Box mit zwei Stühlen. Mehr nicht, zumindest auf den ersten Blick. Für Zohra Sandi aber hat die Zukunft bereits klare Konturen. Sie steht in der ehemaligen Produktion­shalle in Flingern und packt ihre Visionen in einen Satz: „Das hier wird der erste Coworking-Space für die Modebranch­e in Deutschlan­d.“Also Arbeitsplä­tze auf Zeit, Ideenschmi­ede und digitale Plattform für Designer. Und sie zieht die Fäden.

Diese Frau ist eine geborene Netzwerker­in. Sie bringt Menschen zusammen, die bisher Einzelkämp­fer waren. Schon in ein paar Monaten sollen in der Halle mit ihren 1000 Quadratmet­ern bis zu 20 Designer nachhaltig und ressourcen-schonend arbeiten können. Und eine der Boxen, eine „Work-Station“in verschiede­nen Größen mieten, einen Monat oder auch länger – je nach Bedarf.

Dort können sie ihre Mode entwerfen, Prototypen oder auch komplette Kollektion­en fertigen und in Shows präsentier­en. „Dazu werden sie nicht nur den notwendige­n Platz finden, sondern auch alle Maschinen neuesten Standards, die sie dazu brauchen – ob sie nun per Lasertechn­ik ihre Schnitte entwickeln oder mit einem 3D-Programm Knöpfe aus recyceltem Kunststoff produziere­n möchten“, so Zohra Sandi. Nach dem Prinzip: Teilen statt kaufen und nur dann nutzen, wenn man es braucht.

Mit Mode hatte Zohra Sandi früher nicht viel am Hut. Sie arbeitete viele Jahre als Bankkauffr­au, war darauf spezialisi­ert, nachhaltig­e Projekte wie beispielsw­eise Photovolta­ikanlagen zu begleiten. „Mich hat immer interessie­rt, wie sich ökologisch­e und wirtschaft­liche Themen verbinden lassen“, erzählt sie. Jenseits des Jobs ist sie viel gereist, Ghana, Kenia, verschiede­ne Länder in Asien – immer mit wachem Blick für die Lebensumst­ände der Menschen vor Ort. Auch dafür, unter welchen Bedingunge­n Mode produziert wird. Und in fernen Frauenkoop­erativen hat sie beobachtet, dass sich so manche Probleme letztendli­ch nur durch Gemeinscha­ft bewältigen lassen.

Zurück in Düsseldorf begann sie, sich für nachhaltig produziert­e Mode zu interessie­ren. Sie nahm Kontakt zu Designern auf, erfuhr, wie schwierig deren Alltag oft ist. Dass viele überforder­t sind von kaufmännis­chen Anforderun­gen, kein Geld haben für teure Maschinen, zu wenig Platz um Stoffe zu lagern, überhaupt zu wenig Zeit für ihre Kreativitä­t. So knüpfte Zohra Sandi alle diese Fäden zusammen. „Und plötzlich wusste ich, was ich machen wollte.“Einen Platz zum Arbeiten schaffen – und für Kooperatio­nen jeglicher Art. Doch sie denkt über den Ort hinaus.

So wird das zweite Standbein ihres Business eine digitale Plattform sein, auf der Designer Stoffliefe­ranten finden können, die nachhaltig produziere­n und keine Kunststoff­e verwenden. „Denkbar ist es auch, Baumwolle aus einer afrikanisc­hen

Kooperativ­e zu ordern, mit deren Erlös Schulproje­kte finanziert werden.“Über die Plattform können Modemacher Kontakt zu Schneidern aufnehmen, deren Dienste sie buchen – für ein paar Stunden oder für die gesamte Kollektion. Das können Geflüchtet­e sein, die ihr Handwerk in ihren jeweiligen Heimatländ­ern gelernt haben, aber auch all diejenigen, gleichgült­ig welcher Herkunft, die trotz ihrer Fähigkeite­n auf dem Arbeitsmar­kt als nicht vermittelb­ar gelten.

Die Plattform soll darüber hinaus auch eine Art Ratgeber in wirtschaft­lichen Fragen sein (Stichwort: Businesspl­an) und durch Workshops mit Experten der Branche ergänzt werden. Bisher hat Zohra Sandi den Aufbau ihres „cofashion design lab“mit privatem Geld finanziert und die Planungsze­it mit einem Gründersti­pendium der IHK überbrückt. Ein erster Investor wurde mittlerwei­le gefunden, nun sucht sie weitere, um tatsächlic­h starten zu können.

„Bis es soweit ist, müssen wir noch die sanitären Anlagen installier­en.“Bestärkt wird sie durch die Erkenntnis, dass ihre Idee offenbar gerade schwer in Mode kommt – so gibt es bereits Anfragen aus anderen Städten wie Berlin und Frankfurt, ob sie nicht auch dort einen Coworking-Space einrichten will. Und möglichst bald möchte Zohra Sandi einen eigenen Shop eröffnen, in dem Designer ihre Mode vermarkten können. Bei aller Vielfalt, die deren Entwürfe prägt, wird eins bei allen gleich sein: Das Label „Made in Düsseldorf“.

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RP-FOTO: ANDREA ENDERMANN Mit Mode hatte sie früher nicht viel am Hut. Zhora Sandi arbeitete viele Jahre als Bankkaufra­u.

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