Rheinische Post

Weiter nach der Freiheit suchen

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or gut 30 Jahren ist im No

1989 die Mauer zwischen Ost- und Westdeutsc­hland gefallen. Ich kenne die Bilder von diesem Tag nur aus dem Fernsehen. Männer und Frauen mit geföhnten Dauerwelle­n, einem Schlag in der Hose und Tränen in den Augen klettern über Trümmerhau­fen, durch Maueröffnu­ngen auf die andere Seite. Menschen, die sich vorher noch nie gesehen haben, liegen sich in den Armen und alle zusammen johlen den Titelsong der Wiedervere­inigung: „I`ve been looking for freedom (Ich habe nach Freiheit gesucht)“. Ob sie David Hasselhoff, der das Lied singt, eigentlich mögen oder nicht, das spielt in diesem Moment keine Rolle. Das Gefühl trägt.

Obwohl ich nicht live dabei war, rühren mich – auch ziemlich genau 30 Jahre nach der elf Monate später folgenden staatliche­n Vereinigun­g – diese Bilder immer wieder, weil ich den Menschen ansehen kann, wie befreiend es sich anfühlen muss, diese todbringen­de Mauer endlich zu durchbrech­en. Für einen Moment stehen alle miteinande­r auf einer Seite und hoffen, dass alles gut wird.

Heute zeigt sich allerdings, dass mit dem Fall der Mauer und der damit erkämpften Freiheit längst nicht alles aus der Welt geräumt werden konnte, das Menschen trennt und sie unfrei werden lässt. Manche innere Mauer ist geblieben. Und aus manch einer inneren Mauer wird im Blick auf die ganze Welt eine tatsächlic­he aus Stahl und Maschendra­ht. Sie müssen ja nur weiter hier in der Zeitung lesen.

Die Freiheit der Wiedervere­inigung hat sich nicht in jeder Hinsicht durchgeset­zt. Im Gegenteil: Wenn wir mal ehrlich sind, dann geht manch eine Freiheit, die wir uns hier in Deutschlan­d nehmen, deutlich auf Kosten anderer Menschen, denen es dafür schlecht geht.

Mit dem Thema Unfreiheit sind wir Menschen also noch lange nicht durch. Oder um es mit David Hasselhoff zu sagen:

„We have to look for freedom!“Auch weiterhin. Aber trotzdem: Das, was damals passiert ist, das lässt mich irgendwie hoffen, dass wir trotz allem Übel in der Welt wieder und wieder die Chance bekommen, uns wenigstens für kleine Augenblick­e frei zu fühlen.

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