Das große Bibbern
Schulen und Kitas in NRW müssen aktuell kreativ werden, um das Infektionsrisiko niedrig zu halten. Oft gilt: So viel lüften wie nötig und so warm bleiben wie möglich.
Müsste Schulleiter Lüdger Ruschmeyer seiner eigenen Schule eine Note fürs Lüften geben, wäre es ein „Befriedigend“. Die meisten Fenster könne man am Kölner Gymnasium Kreuzgasse öffnen, sagt Ruschmeyer. Immerhin. „Nur mit der Querlüftung ist es schwierig“. Die Türen der Klassenzimmer bleiben auf – es sei denn, die Schüler schreiben etwa eine Mathearbeit und müssen sich konzentrieren. Ruschmeyer muss immer wieder abwägen, die Maßnahmen so gut wie möglich umzusetzen und gleichzeitig einen halbwegs normalen Unterricht aufrechtzuerhalten. So wie ihm geht es gerade vielen Lehrern und Leitern von Kitas und Schulen in der Region. Alle 20 Minuten stoßlüften, fünf Minuten lang, das empfiehlt das Umweltbundesamt. Wie gut klappt das?
„Im Moment gibt es noch keine Klagen“, sagt Ruschmeyer. „Aber wenn wir bald winterliche fünf Grad haben, wird das nicht mehr so einfach sein.“Die Eltern der 970 Schüler des Kölner Gymnasiums wurden bereits gebeten, ihre Kinder mit einem Pulli mehr oder einer zusätzlichen Jacke in die Schule zu schicken. Eine weitere Neuigkeit: Aus dem schmalen Schuletat hat Ruschmeyer 60 CO2-Messgeräte für die Klassenräume angeschafft. Die Geräte piepen, wenn die Luftqualität im Zimmer nicht gut genug ist. Der Schulleiter sagt, er gehöre nicht zu denjenigen, die jetzt auf die Politik schimpfen. Doch auch er fragt sich, wie lange die Schulen unter diesen Umständen offen bleiben können.
Ziemlich frisch ist es in manchen Schulen jetzt schon. In den Klassenzimmern der Gesamtschule Globus am Dellplatz in Duisburg liegt die Raumtemperatur morgens etwa zwischen 15 und 16 Grad Celsius. „Wir haben die Fenster derzeit dauerhaft auf“, sagt Fabian Theiß, stellvertretender Schulleiter. Kinder und Jugendliche, die am Fenster sitzen, tragen Winterjacken. Einige ziehen sich auch Kapuzen oder eine Mütze über den Kopf. Die Schüler könnten auch Decken mitnehmen, empfiehlt die Schulleitung.
Bis vor einigen Tagen wäre das Lüften an der Duisburger Schule nicht überall möglich gewesen: In acht Räumen waren noch alte Drehkippfenster eingebaut. „Die konnte man zwar komplett aufmachen, aber wenn nur ein kleiner Luftzug kam, hätte ein Fenster einen Schüler erschlagen können“, sagt Theiß. Die Stadt hat schnell nachgerüstet und in den Herbstferien doppelflügelige Fenster einbauen lassen. Beunruhigt ist Theiß dennoch. „Halbierte Lerngruppen wären eine Idee“, sagt er.Wenn draußen Minusgrade herrschen, sollen die Fenster zumindest zeitweise wieder geschlossen werden.
Eine Kita in Düsseldorf bereitet die Kinder derweil spielerisch auf die Kälte in den kommenden Monaten vor. Die Eltern sollten ihren Kindern Decken von Zuhause mitgeben, während der kalten Jahreszeit sollen diese auch in der Kita bleiben. Sobald gelüftet wird, sollen sich die Kinder unter ihren Decken verstecken, als würden sie spielen. Das würde den Kindern auch Spaß machen, meint die Kita-Leitung. Außerdem könnten die Kinder dabei unter entsprechender Anleitung der Erzieher auch Achtsamkeit lernen und ein besseres Körpergefühl entwickeln. Darüber hinaus werden die Räume der Kitas auch dann gelüftet, wenn die Kinder draußen spielen. Ungeachtet dieser Maßnahme empfiehlt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung den Kitas, die Einhaltung der Abstandsregeln zwischen den Erwachsenen und das Tragen von Mund-NasenSchutz, wenn der Mindestabstand bei der Übergabe der Kinder zwischen Erwachsenen nicht sichergestellt werden kann. Es sollte zudem eine Kontaktreduzierung durch Bildung fester Gruppen geben.
Von Decken im Unterricht hält Wilfried Schönherr wenig. Er ist Leiter an der Realschule An der Fleuth in Geldern. Dort hängen die Jacken vor den Klassenzimmern. „Sie gehören nicht in den Unterricht“, sagt Schönherr. Er setzt auf das altbekannte Zwiebelprinzip – mehrere Schichten warmer Kleidung.„Von Jacken und Decken geht Brandgefahr aus“, sagt der Schulleiter. Das habe ihm auch die örtliche Feuerwehr bestätigt. Die Decken seien dazu auch noch unhygienisch. „In der ersten Stunde ist das Ende der Decke am Boden, in der zweiten vielleicht am Kopf, das kann ich nicht verantworten.“Man müsse kreativ werden. Und die Schüler einbeziehen, so funktioniere das Einhalten der Regeln besser. In seinem Klassenzimmer haben einzelne Schüler deswegen nun Fensterdienst.Wenn 20 Minuten vergangen sind, öffnen sie die Fenster, fünf Minuten lang wird stoßgelüftet. „Notfalls können wir auch eine Stoppuhr an der Wand anbringen, damit wir das nicht vergessen.“Es gibt auch Schulleiter, die noch entspannt auf die Situation schauen können.
Die 1400 Schüler und Lehrer des Georg-Büchner-Gymnasiums in Köln sind in einer recht komfortablen Lage. Sie haben diese Woche einen Neubau bezogen – in dem alles so funktioniert, wie es funktionieren soll. Die Heizung geht, alle Fenster lassen sich öffnen. „Wir haben eine Klimaanlage und CO2-Sensoren“, sagt Ulf Ußner, der stellvertretende Schulleiter der Schule.„Im Moment klappt alles gut, es ist ja aber auch warm draußen, viele Schüler sitzen im T-Shirt hier“, sagt er. Wenn die Temperaturen sinken und die Erkältungszeit beginnt, wird das sicher anders werden, weiß Ußner. Dann wird es selbst im Kölner Neubau frisch.