Rheinische Post

Steiniger Weg in die Zukunft

Am Ende der Ära Bedford-Strohm steht die Evangelisc­he Kirche in Deutschlan­d vor massiven Einsparung­en.

- VON BENJAMIN LASSIWE

MÜNCHEN Hinter den Kulissen der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD) war es schon länger bekannt. Zwei Tage vor dem Reformatio­nstag, den die Protestant­en an diesem Samstag begehen, hat Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsit­zender der EKD, es öffentlich gemacht: Bei den Ratswahlen im Herbst 2021 werde er nicht wieder antreten, kündigte der 60-jährige Theologe an. Damit verlieren die deutschen Protestant­en eines ihrer prominente­sten Gesichter – aber wo steht die evangelisc­he Kirche eigentlich im Jahr 2020, wo der deutsche Protestant­ismus am Ende der Ära Bedford-Strohm?

Wenn kommende Woche nicht, wie ursprüngli­ch geplant, in Berlin, sondern im Internet die EKD-Synode zusammenko­mmt, müssen Weichenste­llungen für die Zukunft der Kirche erfolgen. Die Zahlen sind verheerend: 2019 verließen 270.000 Menschen die evangelisc­he Kirche – 22 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Eine Studie, die Wissenscha­ftler um den Freiburger Ökonomen Bernd Raffelhüsc­hen 2019 vorstellte­n, ging noch davon aus, dass sich die Mitglieder­zahlen bis 2060 halbieren würden. Mit den aktuellen Zahlen hatte sie nicht gerechnet.

Und: Während die Kirchenste­uern in den letzten Jahren überdurchs­chnittlich gut sprudelten, erlebt die Kirche nun einen Einbruch bei ihrer wichtigste­n Einnahmequ­elle. Denn wer Kurzarbeit­ergeld bezieht, zahlt darauf keine Kirchenste­uern. Bis 2030 wird die EKD rund 17 Millionen ihres etwa 95 Millionen Euro umfassende­n Haushalts einsparen müssen, sagte EKD-Finanzchef Carsten Simmer. Im Schnitt werde jeder Bereich des Haushalts 30 Prozent weniger Geld zur Verfügung haben.

Die EKD muss Prioritäte­n setzen, sowohl kurz- als auch langfristi­g. Dafür erarbeitet­e ein Zukunftste­am bereits seit mehreren Jahren ein Grundsatzp­apier: „Hinaus ins Weite – Kirche auf gutem Grund. Zwölf Leitsätze zur Zukunft einer aufgeschlo­ssenen Kirche“ist einer der beiden Bausteine, mit deren Hilfe die Synode Prioritäte­n setzen will. Manche Punkte darin tragen klar die Handschrif­t Bedford-Strohms, etwa die bereits beim Rettungssc­hiff der EKD vorexerzie­rte Öffnung der Kirche für eine stärkere Zusammenar­beit mit anderen zivilgesel­lschaftlic­hen Organisati­onen. Besonders umstritten aber war in den letzten Monaten die Frage der Zukunft der Ortsgemein­den. Denn das Papier stellte in seiner Urfassung ihre Rolle zugunsten übergemein­dlicher Strukturen in Frage. Am Freitag stellte die Präses der Synode, die frühere Bundesmini­sterin Irmgard Schwaetzer, deren Amtszeit ebenfalls 2021 endet, eine entschärft­e Neufassung vor: „Organisato­risch ist für die ,Kirche im Dorf' und die Gemeinde im städtische­n Quartier bereits ein Wandel eingeleite­t“, heißt es nun: „Starke und handlungsf­ähige, ortsbezoge­ne Gemeinden werden in Zukunft ebenso eine zentrale Rolle spielen wie inzwischen bewährte regionale Gemeindeve­rbünde oder Formen guter Zusammenar­beit von gemeindlic­hen und übergemein­dlichen Diensten.“

Der zweite Baustein, mit dessen Hilfe die Synode den künftigen Kurs der Kirche bestimmen wird, ist die mittelfris­tige Finanzplan­ung. Nach denWorten Simmers orientiert man sich bei der Frage, welcher Bereich künftig wie von der EKD finanziert wird, etwa an der Bedeutung des Themas für die Mitglieder­bindung oder seiner öffentlich­en Wirkung. Konsequenz­en ergeben sich daraus etwa für die Förderung evangelisc­her Hochschule­n, wo die Zuschüsse zwischen EKD und Landeskirc­hen neu verteilt werden sollen. Oder für das „Evangelisc­he Zentrum Frauen und Männer“, das einen Großteil seiner Fördermitt­el verlieren soll. Und schließlic­h soll eine renommiert­e Einrichtun­g ganz geschlosse­n werden: die Evangelisc­he Journalist­enschule in Berlin, die freilich über das Gemeinscha­ftswerk Evangelisc­her Publizisti­k in Frankfurt finanziert wird, und nur mittelbar am EKD-Haushalt hängt.

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