Räumliche Enge schlägt in Gewalt um
Die Zahl der Gewalttaten in Partnerschaften blieben 2019 auf hohem Niveau.
BERLIN Die Zahlen sind nicht schön. Und sie sind nicht gut. Vor allem: Für 2020, dem Jahr der Pandemie, werden sie nicht besser, eher noch schlechter. Im vergangenen Jahr sind die Zahlen von Mord und Totschlag, Sexualdelikten, Körperverletzungen oder Stalking in Partnerschaften auf hohem Niveau geblieben. Nach der am Dienstag in Berlin von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) und dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, vorgelegten Kriminalstatistik wurden knapp 142.000 Frauen und Männer im vergangenen Jahr Opfer von Partnerschaftsgewalt. 2018 hatte diese Opferzahl bei knapp 141.000 gelegen. Zum Start dieser Kriminalstatistik über Gewalt in Partnerschaften im Jahr 2015 registrierte die Polizei bundesweit rund 127.000 solcher Straftaten.
Nach den Worten von Giffey wird an fast jedem dritten Tag in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder von ihrem Ex-Partner getötet. Und alle 45 Minuten werde – statistisch gesehen – eine Frau Opfer vollendeter oder versuchter gefährlicher Körperverletzung durch Partnerschaftsgewalt. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 301 Frauen und 93 Männer Opfer von Mord oder Totschlag (vollendete und versuchte Delikte) in Partnerschaften. Das Problem laut Giffey und Münch: Diese Zahlen beschreiben nur das Hellfeld, also jene Fälle, in denen der Polizei Delikte auch gemeldet wurden und sie ermitteln konnte. Das Dunkelfeld dürfte deutlich größer sein, vor allem in Zeiten von Corona, „wo wir nicht alles sehen können, was wir sonst sehen“, so Münch. 75 bis 80 Prozent der Op
Franziska Giffey Bundesfamilienministerin
fer holten sich keine Hilfe, so Ministerin Giffey. BKA-Präsident Münch wies wiederum darauf hin, dass Corona vor allem für Paare und Familien eine „Ausnahmesituation“erzeugt habe – mit räumlicher Enge in der Phase des ersten Lockdowns im Frühjahr und finanziellen Sorgen etwa wegen Kurzarbeit oder dem Verlust des Arbeitsplatzes.
Ministerin Giffey beklagte: „Für viele Frauen, aber auch für Männer ist es traurige Realität, dass die eigene Wohnung, in der man sich sicher fühlen möchte, zu einem gefährlichen Ort wird.“Vier von fünf Frauen, aber auch jeder fünfte Mann musste demnach im vergangenen Jahr Gewalt durch Partner oder ehemalige Partner erleben und aushalten. Die Hälfte der Opfer lebte zum Tatzeitpunkt mit dem Täter oder der Täterin in einem Haushalt (50,5 Prozent). „Der Feind im eigenen Bett“sei eine wirklich bedrückende Wahrheit, so Giffey. „Und es ist sehr wahrscheinlich, dass Corona die Lage noch einmal verschärft hat.“38,2 Prozent der Delikte begingen laut Statistik für 2019 ehemalige Partner, gefolgt von Ehepartnern (32,8 Prozent) und Partnern aus nichtehelichen Lebensgemeinschaften (28,7 Prozent).
Sowohl Giffey wie auch Münch riefen von Partnerschaftsgewalt bedrohte Frauen und Männer wie auch deren Nachbarn oder Freunde dazu auf, solche Angriffe zu melden. Münch:„Schweigen schützt die Täter. Deswegen lieber einmal mehr einen Hinweis weitergeben als einmal zu wenig.“Die Bundesfamilienministerin verwies zur Hilfe im Kampf gegen Partnerschaftsgewalt auf ein bundesweites Hilfetelefon, das es in Deutschland gebe, auf einen runden Tisch für den Kampf gegen Gewalt an Frauen und auf ein Förderprogramm für Frauenhäuser. Giffey sprach sich für eine europaweit einheitliche Nummer für Hilfetelefone aus.
„Es ist sehr wahrscheinlich, dass Corona die Lage noch einmal verschärft hat“