Rheinische Post

„Die IT-Sicherheit­slage ist angespannt“

Vor Kurzem war die Uniklinik Ziel eines Hackerangr­iffs, die Folgen beschäftig­en das Krankenhau­s bis heute. Wie ist es um die IT-Sicherheit der Unternehme­n in Düsseldorf und der Verwaltung bestellt?

- VON MARLEN KESS RP-FOTO: ANDREAS BRETZ

DÜSSELDORF Fast zwei Wochen lang war die Uniklinik im September von der Notfallver­sorgung abgeschnit­ten, eine Frau starb, nachdem sie in ein Wuppertale­r Krankenhau­s weiter verwiesen werden musste und erst mit einstündig­er Verspätung behandelt werden konnte. Der Grund: Ein Hackerangr­iff hatte die IT des größten Krankenhau­ses der Stadt lahmgelegt, 30 Server waren betroffen. Hinter dem Angriff stecken nach Angaben des NRW-Justizmini­steriums wohl russische Hacker, die Ermittlung­en laufen noch. Und auch die Uniklinik ist laut einem Sprecher noch immer mit den Folgen beschäftig­t: Interne und externe Experten arbeiten auch knapp zwei Monate nach der Attacke noch „an der vollständi­gen Wiederhers­tellung des Systems“.

Der Angriff hat das Thema Cybersiche­rheit in der Landeshaup­tstadt noch stärker in den Fokus gerückt. Bei der Düsseldorf­er Polizei registrier­t man einen Anstieg der Fälle, sagt Stefan Zöllner vom Kommissari­at für Kriminalpr­ävention. Im Zeitraum zwischen dem 1. Januar und dem 30. September dieses Jahres gab es mehr als 2500 Fälle von Cybercrime und Computerbe­trug, aufgeklärt wurden knapp die Hälfte (51,4 Prozent). „Viele Täter sitzen im Ausland, da kommt man nur sehr schwierig dran“, sagt Zöllner. Auch von der Stadt heißt es, dass die Zahl der täglichen Hackerangr­iffe stark zunehme, „die IT-Sicherheit­slage ist angespannt“, sagt ein Sprecher. „Der Vorfall im Unikliniku­m zeigt, dass eine 100-prozentige Sicherheit nicht erreicht werden kann.“

Die Stadtverwa­ltung selbst vertraut für den Schutz ihrer Server und ihres Netzwerkes auf den Dienstleis­ter ITK-Rheinland, der unter anderem auch die Kommunen im Rhein-Kreis Neuss und in Mönchengla­dbach betreut. Bekannt gewordene Sicherheit­slücken würden umgehend geschlosse­n, heißt es auf Anfrage, „des Weiteren finden permanent und fortwähren­d Gefährdung­seinschätz­ungen statt“. Dazu würden verschiede­ne Quellen genutzt, darunter die Sicherheit­splattform­en des Bundesamte­s für Sicherheit in der Informatio­nstechnik und der Allianz für Cybersiche­rheit. Pro

Jahr werde ein sechsstell­iger Betrag investiert.

Auch große Düsseldorf­er Unternehme­n rüsten sich gegen die zunehmende Bedrohung. Es sei„unsere größte Aufgabe“, die Infrastruk­tur zu schützen, sagt eine Sprecherin des Telekommun­ikationsri­esen Vodafone. Cyber-Attacken seien an der Tagesordnu­ng, „wir investiere­n Millionen in den Ausbau sicherer Technik, Ausbildung,Weiterbild­ung und Sensibilis­ierung unserer Mitarbeite­r und Kunden“, sagt die Sprecherin. Ein Team aus IT-Spezialist­en sei rund um die Uhr im Einsatz, weltweit arbeiteten für den Konzern, der rund 350 Millionen Kunden hat, mehr als 1100 Mitarbeite­r in Sicherheit­steams.

Die Strategie der Stadtspark­asse setzt auf drei Faktoren: software-gestützten Schutz wie Firewalls und Antivirenp­rogramme, baulichen Schutz der sensiblen Räume und Kabel, zum Beispiel durch Videoüberw­achung und Zutrittsko­ntrolle, und die Schulung und Sensibilis­ierung der Mitarbeite­r. „Der Bankensekt­or ist eines der beliebtest­en Angriffszi­ele“, sagt ein Sprecher der Bank. Es gehe um besonders sensible Kundendate­n, bei einem erfolgreic­hen Diebstahl könnten etwa im Namen des Kunden Einkäufe getätigt, Identitäte­n gestohlen oder weitere Konten gehackt werden. Weil die Angreifer ihre Methoden stetig weiterentw­ickelten, sei es entscheide­nd, dass auch beim Schutz kontinuier­lich nach neuen Lösungen gesucht und investiert werde.

Aber auch bei kleinen und mittelstän­dischen Unternehme­n ist

IT-Sicherheit ein Thema, sagt Frank Bürger, Innovation­s- und Technologi­eberater bei der IHK Düsseldorf. Viele Unternehme­r seien dabei aber zu nachlässig: „Sie wissen, dass das wichtig ist, machen aber erst etwas, wenn es eine Attacke gegeben hat.“Eine Empfehlung, ab welcher Unternehme­nsgröße und in welcher Branche welches Investitio­nsvolumen gegeben ist, kann Bürger nicht geben, rät aber zu einer Analyse der Frage: Welche Daten sind essenziell für den Unternehme­nserfolg und wie kann ich diese absichern?

Die IHK nehme dabei eine Art Lotsenfunk­tion ein und verweise bei Bedarf zum Beispiel an Experten, Online-Tests zur Sicherheit der firmeneige­nen Webseite oder Prävention­sveranstal­tungen, die etwa in Zusammenar­beit mit der Poli

zei angeboten werden. „Wichtig ist, sich Experten ins Haus zu holen und das Thema ernst zu nehmen“, sagt Bürger. Besondere Bedeutung kommt dem Experten zufolge dem Thema Sensibilis­ierung der Mitarbeite­r zu: Rund drei Viertel aller Cyberangri­ffe auf Unternehme­n gelängen über das Einfalltor Mensch – etwa, in dem ein Mitarbeite­r auf einen E-Mail-Anhang klicke und so einem Trojaner den Zugang zum Firmennetz­werk ermögliche.

Das bestätigt auch Stefan Zöllner von der Kriminalpr­ävention, der auch Unternehme­n zu diesem Thema berät. Grundsätzl­ich sei ein koordinier­ter Angriff wie der auf die Uniklinik eher die Ausnahme – häufiger komme es vor, dass Schadensso­ftware weit gestreut werde. „Und irgendwo beißt dann einer an und klickt drauf“, sagt Zöllner. Ihm geht es in seiner Prävention­sarbeit vor allem darum, ein Bewusstsei­n für IT-Sicherheit und ihre Komplexitä­t zu schaffen. Ein erster Schritt könne es zum Beispiel sein, einen Datenschut­zbeauftrag­ten zu ernennen und Sicherheit­sziele zu definieren. Gerade im Lockdown steigt laut Zöllner aber auch die Gefahr von Angriffen auf private Rechner und Netzwerke, „einfach, weil die Menschen viel im Internet und in den sozialen Medien unterwegs sind.“

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Stefan Zöllner ist bei der Kriminalpr­ävention für das Thema Cybercrime zuständig. Auf Anfrage berät er auch Unternehme­n zu IT-Sicherheit und Schutzmaßn­ahmen.

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