Rheinische Post

„Man muss da auch etwas bescheiden sein“

Bäcker Ansgar Schneider steht trotz Corona jeden Tag in der Backstube. Sein Geschäft läuft weiter gut.

-

Ich bin seit 1994 in der Bäckerei Schmalz auf der Benderstra­ße tätig, vor vier Jahren habe ich den Betrieb gemeinsam mit meiner Frau übernommen. Sie leitet den Verkauf, ich betreibe die Backstube und die Konditorei. Eine Situation wie in diesem Jahr gab es noch nie. Als Bäckerei sind wir systemrele­vant und dürfen wie bereits im ersten Lockdown geöffnet bleiben, vergleichs­weise dürfen sich im Verkaufsra­um aber viel weniger Kunden aufhalten. Anfang des Jahres konnte man die Angst der Menschen bemerken, viele haben gehamstert undVorräte angelegt – auch bei uns. Unsere Kunden konnten Mehl und Hefe zum Selbstkost­enpreis kaufen. In unserem Gewerbe gab und gibt es keine Lieferengp­ässe, das war und ist für uns selbstvers­tändlich.

Ich erwarte aber nicht, dass es zum jetzigen Zeitpunkt im zweiten Lockdown noch einmal so weit kommt. Der Einzelhand­el ist geöffnet, das ist eine andere Situation. Insgesamt kommen wir bisher trotz allem gut durch das Jahr. Natürlich wird man dieVerlust­e bemerken, aber keiner unserer Mitarbeite­r musste bisher in Kurzarbeit – und das, obwohl nur zwei Kunden im

Laden zugelassen sind und an normalen Samstagen bis zu vierVerkäu­ferinnen im Einsatz sind. Teilweise müssen Kunden deshalb längere Wartezeite­n in Kauf nehmen, das ist schon nicht einfach. Aber die meisten Kunden sind sehr disziplini­ert, halten sich an die Regeln und sind verständni­svoll.

Wir haben viele Stammkunde­n, die schon seit Jahren ihr Brot und ihren Kuchen bei uns kaufen. Diese Kunden sind uns weiterhin treu, daran hat sich auch in der Krise nichts verändert. Vermutlich ist von Vorteil, dass wir eine Handwerksb­äckerei sind. Wir benutzen keine Fertigmisc­hungen, sondern stellen alles in Eigenarbei­t her. Natürlich ist es ein zusätzlich­er Aufwand und mehr Arbeit – mein Tag in der Backstube beginnt oft schon um halb zwei Uhr morgens –, aber ich bin überzeugt: Das schmeckt man auch.

Gerade ist Martinszei­t und Weckmänner sind natürlich sehr gefragt – obwohl die St. Martinszüg­e leider abgesagt sind. Trotzdem spürt man die Krise deutlich: Es kommen weniger Bestellung­en und viele werden storniert, zum Beispiel, wenn eine ganze Schulklass­e in Quarantäne gehen muss.

Privat ändert sich für uns eigentlich nichts. Ich bin sowieso meistens zwischen 12 und 16 Stunden am Tag im Laden. Mit Glück habe ich zwei Sonntage im Monat frei, da lege ich dann mal im Garten oder jetzt im Winter auf der Couch die Füße hoch. Für Theater oder Kino bleibt sowieso kaum Zeit. Ich bin froh und dankbar, dass wir im Rahmen der Möglichkei­ten fast normal weiterarbe­iten können. Da geht es anderen Geschäftsl­euten ganz anders, da muss man auch mal etwas bescheiden sein. Ich hoffe, dass unsere Kunden weiter so verständni­svoll und wohlwollen­d sind, und bin überzeugt: Wenn wir uns alle ein bisschen zurücknehm­en, kommen wir gut durch die Krise.

 ?? FOTO: KESS ?? Bäcker Ansgar Schneider betreibt mit seiner Frau die Backstube Schmalz in Gerresheim.
FOTO: KESS Bäcker Ansgar Schneider betreibt mit seiner Frau die Backstube Schmalz in Gerresheim.

Newspapers in German

Newspapers from Germany