Rheinische Post

Schwestern in der Welt des Tanzes

Ballettche­f Demis Volpi hat Rose und Clara Nougué-Cazenave in Lyon entdeckt und nach Düsseldorf geholt. Sie leben gemeinsam in Bilk.

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN

DÜSSELDORF Rose Nougué-Cazenave erinnert sich noch genau, wann der Anruf kam. Sie saß in der Schule, als am 28. September 2019 um 12.30 Uhr ihr Handy klingelte. Ihre Schwester Clara war am Apparat und fragte, ob Rose in einer halben Stunde an einem außerorden­tlichen Tanztraini­ng teilnehmen könne. „Krieg` ich hin“, sagte Rose. Tanz spielt in dem Leben der 20-Jährigen eine herausrage­nde Rolle, seitdem sie mit acht an die Schule der Pariser Oper kam, der Kaderschmi­ede für Tänzer schlechthi­n. Dort lernte sie, was Ballettkun­st bedeutet und was sie jungen Talenten abverlangt.

An jenem Septembert­ag waren Rose und Clara schon eine Weile Studentinn­en am Konservato­rium für Musik und Tanz in Lyon. Demis Volpi, damals designiert­er Direktor des Balletts am Rhein, war in Lyon für die Tanzeinlag­en in Tobias Kratzers` Inszenieru­ng von Rossinis „Guillaume Tell“verantwort­lich. Clara Nougué-Cazenave wirkte mit und fiel Volpi gleich auf. Er war dabei, das neue Ballett am Rhein zusammenzu­stellen und fragte Clara, ob sie sich vorstellen könnte, Tänzerin in seiner Compagnie zu werden. Als Clara ihm dann Rose vorstellte und er sie trainieren sah, bot er beiden einen Vertrag an.

Seit dieser Spielzeit gehören die Schwestern zum Ballett am Rhein und sind in zwei Stücken von Demis Volpi zu sehen, aktuell in der Uraufführu­ng „A simple piece“. „Das

Engagement ist eine wunderbare Chance und große Ehre“, sagt Rose. „Als junge Tänzerin ohne Bühnenerfa­hrung muss man sich oft eine lange Zeit mit kurzfristi­gen Aufträgen herumschla­gen. Ein festes Engagement in dieser Phase ist sehr selten.“Düsseldorf und das Ballett am Rhein waren ihr sogar schon vertraut, bevor sie Mitglied der Compagnie wurde. Ihre Balletttra­inerin am Konservato­rium in Lyon, Marie Francoise Géry, hatte ihr viel davon erzählt. Géry tanzte in den 1990er Jahren dort als Solistin unter Hans

Spoerli. „Die Sehnsucht war also schon ziemlich konkret“, sagt Rose.

Die Eltern der jungen Frauen haben sie in ihrem Wunsch, sich musisch auszudrück­en, stets unterstütz­t. Von den vier Kindern sind zwei Tänzerinne­n geworden, Rose spielt außerdem Geige; Marie, die ältere Schwester, ist eine begabte Pianistin und studierte Elektrotec­hnik, der Bruder ist Techniker. „Unsere Eltern selbst haben keinen ureigenen Bezug zu Tanz oder Musik, aber sie haben erkannt, was es uns bedeutet und viel auf sich genommen, damit wir uns weiterentw­ickeln konnten“, sagt Clara. Die 24-Jährige hat als Kind mit dem Tanzen in Pau begonnen, das im Südwesten Frankreich­s liegt, wo die Familie in dem kleinen Ort Mirepeix zuhause ist. An der Musikschul­e in der Universitä­tsstadt Pau lernte ihre Schwester Marie bereits Klavier und Orgel. Als die Eltern entdeckten, dass es auch eine Abteilung für Tanz gab, meldeten sie Clara dort an. Rose, die damals erst vier, fünf Jahre alt war, begleitete die Mutter oft, wenn diese ihre Geschwiste­r abholt.

„Als ich Clara tanzen sah, wollte ich es auch lernen“, sagt sie. „Wir waren also alle nach Schule gut beschäftig­t, und unsere Eltern mussten nur einen Ort anfahren.“

Komplizier­ter wurde es, als Roses Ballettleh­rerin neue Ziele formuliert. Die Pariser Oper sei der bessere Ort für die Begabung des damals acht Jahre alten Kindes. Also entschloss­en sich die Eltern zu einer räumlichen Trennung: Die Mutter zog mit Rose in die Hauptstadt, der Vater blieb in Aquitanien. Wenige Jahre später waren die Schwes

tern in Lyon wieder vereint und trafen Demis Volpi. Es blieb also vorerst bei einer gemeinsame­n Zukunft von Rose und Clara.

„Demis wollte von damals uns wissen, ob es für uns okay ist, als Schwestern in einer Compagnie zu tanzen“, erzählt Clara. „Darüber haben wir zwei natürlich auch gesprochen und es für gut befunden. Es hat ja auch Vorteile: Man kennt und vertraut sich – und kann miteinande­r Klartext sprechen.“Das kommt vor, denn die Arbeitseth­ik der beiden jungen Frauen ist durchaus unterschie­dlich. „Ich bin Optimistin“, sagt Clara. „Wenn eine Einstudier­ung nicht auf Anhieb klappt, weiß ich, dass es irgendwann besser wird. Rose ist strenger mit sich und trainiert über Gebühr.“

Die Schwestern teilen sich eine Wohnung in Bilk, von wo aus sie es nicht weit haben bis zum Ballettpro­benzentrum und zum Opernhaus. In der Compagnie fühlen sie sich sehr wohl. „Die Tänzer kommen aus der ganzen Welt, und es ist sehr interessan­t zu erfahren, auf welcheWeis­e sie das Tanzen gelernt haben“, sagt Rose. „Wir lernen gerade sehr viel.“

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FOTO: BERNHARD WEIS Clara (hinten) und Rose Nougué-Cazenave in „Look for the silver linning“von Demis Volpi.

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