Rheinische Post

Mord an Hermann Drillings bleibt ungesühnt

Vor 15 Jahren wurde der Kunsthändl­er erschlagen in seiner Wohnung aufgefunde­n. Die Polizei hatte schnell eine Tatverdäch­tige.

- VON NICOLE KAMPE

ALTSTADT Stechend blau sind ihre Augen, die Haare lang, dunkel und wild-gelockt. Fast schüchtern wirkt ihr Lächeln, und auf der Wange hat sie ein markantes Muttermal, so wie Cindy Crawford eines hat. Yuliya Pyvovarova ist jung, sie ist schön und gerade erst 20 Jahre alt auf dem Foto, mit dem die Polizei seit inzwischen 15 Jahren nach ihr sucht.Weil sie in Düsseldorf einen Mann getötet haben soll.

Hermann Drillings ist Kunsthändl­er, ein echtes Altstadt-Original und 82 Jahre alt, als er in seiner Wohnung erschlagen wird. In der Nacht zum 14. November 2005 wird ihm der Schädel zertrümmer­t. Die Polizei ist schnell sicher, dass es seine FreundinYu­liya Pyvovarova war, die sich kurz nach der Tat in ihre Heimat – die Ukraine – abgesetzt hat. Bis heute hat es keinen Prozess gegeben, bis heute kein Urteil. „Die Beschuldig­te und ein Komplize sind weiter zur Festnahme ausgeschri­eben über einen europäisch­en Haftbefehl“, sagt Staatsanwä­ltin Laura Hollmann. Die Akte Drillings ist noch nicht geschlosse­n.

Ob Hermann Drillings Freunde hatte, richtig enge Freunde, das weiß Erik Hegemann nicht. Aber viele Bekannte, so wie Hegemann selbst, den Drillings über Jahre fast täglich in seinem Laden besucht. Gemeinsam mit Herbert Stuckert betreibt Hegemann damals einen Münzund Edelmetall­handel, Stuckert ist inzwischen gestorben. Erik Hegemann erinnert sich noch gut, wie er und sein Kollege vom Tod ihres guten Bekannten erfahren. „Es war ein Montag, die Polizei kam in unseren Laden“, sagt Erik Hegemann. Hermann Drillings, der auch mal ein Schnäpsche­n trinkt und eine Zigarre raucht, Drillings, der Operetten-Liebhaber, der gern in Begleitung junger, sehr junger Frauen ist – „das war ein Schock für uns“, sagt Hegemann.

Ein Original ist Drillings, sagt Hegemann, „eine Type“, der in den 50ern viel Geld mit Messebau verdient haben muss. „So hat er es zumindest immer erzählt“, sagt der Edelmetall­experte aus der Altstadt. Drillings lebt zum Tatzeitpun­kt an der Kurze Straße, in einem kleinen Appartemen­t, dort stirbt er auch.„Er sagte immer, dass er noch eine Villa in Stockum besitzt“, so Hegemann. Von seiner Frau, mit der er drei Kinder hat, hat sich Drillings scheiden lassen und lebt sein Leben als Junggesell­e.

Teure Kleidung trägt Hermann Drillings nie, aber er ist immer ordentlich gekleidet, „ein liebenswer­ter Kerl, der nicht erkannt hat, dass die Frauen nur aufs Geld aus sind“, sagt Erik Hegemann. Yuliya Pyvovarova ist nicht die erste junge Frau, mit der Drillings anbandelt und der Drillings Geld zusteckt. Der Kunsthändl­er finanziert ihr die Schule, macht ihr großzügige Geschenke, auch mal ein Schmuckstü­ck aus Hegemanns Geschäft.

Dafür genießt er die Aufmerksam­keit der 20-Jährigen. Eine Szene ist Erik Hegemann im Gedächtnis geblieben, die sich in seinem

Laden abspielt: „Ein Kunde fragte Hermann, ob er mit seiner Enkelin da sei, ein bisschen absichtlic­h, er wusste genau, dass es nicht die Enkelin ist“, sagt Hegemann. „Da war der Hermann aber böse.“Weil Hermann Drillings die Frauen nicht dafür bezahlt, damit sie mit ihm zusammen sind. Vielmehr glaubt Drillings an die Liebe, „vielleicht wusste er, dass es nicht so ist, aber er hat es gehofft“, sagt Hegemann.

Von seinem früheren Leben erzählt Hermann Drillings seinen Bekannten nie viel. 1923 ist er geboren, hat einen polnischen Pass, den er bis zu seinem Tod nicht abgibt, und den jüdischen Glauben. Wo er während des Krieges lebt und wie er den Krieg überlebt, darüber redet Drillings nicht. „Zumindest erinnere ich mich nicht“, sagt Hegemann, der noch heute immer an Drillings denken muss, „wenn ich einen Immendorff sehe“. Unter anderem mit den Bildern des berühmten Düsseldorf­er Künstlers und seiner Schüler verdient Drillings Geld, seine Geschäftsp­artner sind vor allem Osteuropäe­r.

Einen Tag vor seinem Tod telefonier­t Herbert Stuckert mit Drillings, am Sonntag ist der 82-Jährige mit einem Bekannten verabredet. Drillings öffnet jedoch die Tür nicht, der Bekannte ruft die Polizei, die schließlic­h durch ein Fenster in die Wohnung einsteigt. Dort liegt Drillings im Wohnzimmer auf dem Boden.

Der Fall ist so spektakulä­r, „dass Rudolf Niedersche­lp, Leiter des Kriminalko­mmissariat­s, selbst die Mordkommis­sion leitet“, sagt Polizeispr­echer Andre Hartwich. Am 17. November wird Drillings auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt, ab dem 23. November sucht die Polizei per Haftbefehl die 20 Jahre alte Yuliya Pyvovarova. Bis heute erfolglos. „Hermann wird ein cold case bleiben“, fürchtet Erik Hegemann.

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Mit diesem Bild fahndete die Polizei nach Yuliya Pyvovarova.
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FOTOS: POLIZEI Hermann Drillings war ein Altstadt-Original.

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