Mord an Hermann Drillings bleibt ungesühnt
Vor 15 Jahren wurde der Kunsthändler erschlagen in seiner Wohnung aufgefunden. Die Polizei hatte schnell eine Tatverdächtige.
ALTSTADT Stechend blau sind ihre Augen, die Haare lang, dunkel und wild-gelockt. Fast schüchtern wirkt ihr Lächeln, und auf der Wange hat sie ein markantes Muttermal, so wie Cindy Crawford eines hat. Yuliya Pyvovarova ist jung, sie ist schön und gerade erst 20 Jahre alt auf dem Foto, mit dem die Polizei seit inzwischen 15 Jahren nach ihr sucht.Weil sie in Düsseldorf einen Mann getötet haben soll.
Hermann Drillings ist Kunsthändler, ein echtes Altstadt-Original und 82 Jahre alt, als er in seiner Wohnung erschlagen wird. In der Nacht zum 14. November 2005 wird ihm der Schädel zertrümmert. Die Polizei ist schnell sicher, dass es seine FreundinYuliya Pyvovarova war, die sich kurz nach der Tat in ihre Heimat – die Ukraine – abgesetzt hat. Bis heute hat es keinen Prozess gegeben, bis heute kein Urteil. „Die Beschuldigte und ein Komplize sind weiter zur Festnahme ausgeschrieben über einen europäischen Haftbefehl“, sagt Staatsanwältin Laura Hollmann. Die Akte Drillings ist noch nicht geschlossen.
Ob Hermann Drillings Freunde hatte, richtig enge Freunde, das weiß Erik Hegemann nicht. Aber viele Bekannte, so wie Hegemann selbst, den Drillings über Jahre fast täglich in seinem Laden besucht. Gemeinsam mit Herbert Stuckert betreibt Hegemann damals einen Münzund Edelmetallhandel, Stuckert ist inzwischen gestorben. Erik Hegemann erinnert sich noch gut, wie er und sein Kollege vom Tod ihres guten Bekannten erfahren. „Es war ein Montag, die Polizei kam in unseren Laden“, sagt Erik Hegemann. Hermann Drillings, der auch mal ein Schnäpschen trinkt und eine Zigarre raucht, Drillings, der Operetten-Liebhaber, der gern in Begleitung junger, sehr junger Frauen ist – „das war ein Schock für uns“, sagt Hegemann.
Ein Original ist Drillings, sagt Hegemann, „eine Type“, der in den 50ern viel Geld mit Messebau verdient haben muss. „So hat er es zumindest immer erzählt“, sagt der Edelmetallexperte aus der Altstadt. Drillings lebt zum Tatzeitpunkt an der Kurze Straße, in einem kleinen Appartement, dort stirbt er auch.„Er sagte immer, dass er noch eine Villa in Stockum besitzt“, so Hegemann. Von seiner Frau, mit der er drei Kinder hat, hat sich Drillings scheiden lassen und lebt sein Leben als Junggeselle.
Teure Kleidung trägt Hermann Drillings nie, aber er ist immer ordentlich gekleidet, „ein liebenswerter Kerl, der nicht erkannt hat, dass die Frauen nur aufs Geld aus sind“, sagt Erik Hegemann. Yuliya Pyvovarova ist nicht die erste junge Frau, mit der Drillings anbandelt und der Drillings Geld zusteckt. Der Kunsthändler finanziert ihr die Schule, macht ihr großzügige Geschenke, auch mal ein Schmuckstück aus Hegemanns Geschäft.
Dafür genießt er die Aufmerksamkeit der 20-Jährigen. Eine Szene ist Erik Hegemann im Gedächtnis geblieben, die sich in seinem
Laden abspielt: „Ein Kunde fragte Hermann, ob er mit seiner Enkelin da sei, ein bisschen absichtlich, er wusste genau, dass es nicht die Enkelin ist“, sagt Hegemann. „Da war der Hermann aber böse.“Weil Hermann Drillings die Frauen nicht dafür bezahlt, damit sie mit ihm zusammen sind. Vielmehr glaubt Drillings an die Liebe, „vielleicht wusste er, dass es nicht so ist, aber er hat es gehofft“, sagt Hegemann.
Von seinem früheren Leben erzählt Hermann Drillings seinen Bekannten nie viel. 1923 ist er geboren, hat einen polnischen Pass, den er bis zu seinem Tod nicht abgibt, und den jüdischen Glauben. Wo er während des Krieges lebt und wie er den Krieg überlebt, darüber redet Drillings nicht. „Zumindest erinnere ich mich nicht“, sagt Hegemann, der noch heute immer an Drillings denken muss, „wenn ich einen Immendorff sehe“. Unter anderem mit den Bildern des berühmten Düsseldorfer Künstlers und seiner Schüler verdient Drillings Geld, seine Geschäftspartner sind vor allem Osteuropäer.
Einen Tag vor seinem Tod telefoniert Herbert Stuckert mit Drillings, am Sonntag ist der 82-Jährige mit einem Bekannten verabredet. Drillings öffnet jedoch die Tür nicht, der Bekannte ruft die Polizei, die schließlich durch ein Fenster in die Wohnung einsteigt. Dort liegt Drillings im Wohnzimmer auf dem Boden.
Der Fall ist so spektakulär, „dass Rudolf Niederschelp, Leiter des Kriminalkommissariats, selbst die Mordkommission leitet“, sagt Polizeisprecher Andre Hartwich. Am 17. November wird Drillings auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt, ab dem 23. November sucht die Polizei per Haftbefehl die 20 Jahre alte Yuliya Pyvovarova. Bis heute erfolglos. „Hermann wird ein cold case bleiben“, fürchtet Erik Hegemann.