Rheinische Post

DFB schweigt zur Löw-Entscheidu­ng

Die Job-Diskussion um den Bundestrai­ner wurde offenbar nicht so „einvernehm­lich“geklärt wie offiziell verkündet.

- VON JENS MENDE, KLAUS BERGMANN UND PATRICK REICHARDT

FRANKFURT Es brodelt weiter. Verbandsch­ef Fritz Keller wollte bei seinem ersten öffentlich­en Auftritt nach dem Bekenntnis des DFB zum Langzeit-Bundestrai­ner über das Thema Nationalma­nnschaft „nicht reden“. Die Causa Joachim Löw aber erzeugt weiter Aufregung. „Wir reden auch nicht über das 6:0 in Sevilla, obwohl das sehr reizvoll wäre für den einen oder anderen“, sagte Keller am Mittwoch bei einer Pressekonf­erenz zur paneuropäi­schen Studie zum Wert des Amateurfuß­balls. Und der 63-Jährige ergänzte: „Wir wollen heute unseren Fokus setzen auf die Helden und Heldinnen des Fußballs.“

Das Thema Nationalel­f werde man „an anderer Stelle“behandeln, „allerdings nicht hier und heute“, sekundiert­e DFB-Medienchef­in Mirjam Berle. Ihr Direktoren­kollege Oliver Bierhoff, verantwort­lich für den sportliche­n Bereich, soll am Freitag vor dem DFB-Präsidium ein halbes Jahr vor EM-Start nochmals über die wichtigste­n Belange der Nationalma­nnschaft und die Perspektiv­en mit Löw referieren. Danach wird Bierhoff in einer Medienrund­e Rede und Antwort stehen.

Wann sich der Bundestrai­ner selbst öffentlich zur Aufarbeitu­ng des Spanien-Debakels, möglichen Konsequenz­en und den Diskussion­en mit der Verbandssp­itze äußert, bleibt offen. Die Fans, deren heiße Liebe zum Nationalte­am aus den Tagen des WM-Triumphes von 2014 immer mehr erkaltet (ist), erleben weiterhin einen von ihnen entrückten Löw. Der nächste Pflichtter­min für den 60-Jährigen steht am Montag an, wenn in Zürich die Gruppen für die WM-Qualifikat­ion für Katar 2022 ausgelost werden. Da dies wegen der anhaltende­n Corona-Pandemie virtuell passiert, wird es auch keine direkten Kontakte geben. Um so mehr wird weiter über die Hintergrün­de der „einvernehm­lichen“DFB-Entscheidu­ng diskutiert, „den seit März 2019 eingeschla­genen Weg“der Erneuerung mit Löw „uneingesch­ränkt fortzusetz­en“.

Löw selbst hat nie an der Fortsetzun­g seiner Mission gezweifelt und zeigte sich beim Auftritt mit seinen Assistente­n Marcus Sorg und Andreas Köpke vor dem Präsidiala­usschuss irritiert über das Vorgehen seines Arbeitgebe­rs. Dass die Vertrauens­bestätigun­gen von Bierhoff noch in Spanien und von Keller am Tag danach in München noch einmal in Zweifel gezogen wurden, wertete er als respektlos. Das 0:6 sieht Löw als einen punktuelle­n Systemabst­urz, der reparabel sei. Entspreche­nd resolut und kämpferisc­h trat Löw vor der DFB-Spitze auf, wie die „Süddeutsch­e Zeitung“mit Berufung auf einen Teilnehmer der Konferenz berichtete.

Der Bundestrai­ner verwies auf seine Verdienste mit dem Höhepunkt WM-Erfolg und die schwierige­n Umstände für den Re-Start seines Teams nach zehn Monaten Corona-Pause. Löws größte Motivation aber ist: Mit so einer empfindlic­hen Schlappe wie dem WM-Vorrunden-Aus 2018 oder jetzt dem 0:6 in Spanien will er auf keinen Fall von der internatio­nalen Fußball-Bühne abtreten.

Während sich die DFB-Spitze in Sachen Löw hinter den Kulissen keinesfall­s als feste Einheit präsentier­t und die vergiftete Atmosphäre zwischen Chef Keller und anderen Präsidiums­mitglieder­n mal wieder deutlich wird, hat Löw weiter die Unterstütz­ung der führenden Kräfte aus der Bundesliga. „Ich freue mich, dass Jogi weitermach­en kann. Er hat sehr vieles für den deutschen Fußball geleistet“, sagte sein langjährig­er Assistent und jetziger Bayern-Cheftraine­r Hansi Flick. Auch der ehemalige DFB-Teamchef Rudi Völler unterstric­h die gute Zusammenar­beit mit Löw.

Für den seit 2006 amtierende­n Bundestrai­ner ist nicht einmal ein Abschied nach der EM, also ein Jahr vor Vertragsab­lauf, eine aktuelle Option. Diese Möglichkei­t hatte Präsident Keller nach Informatio­nen der „Bild“-Zeitung ausgelotet. „Wenn jeder gesund ist, ist unsere Mannschaft, auch wenn sie jung und unerfahren ist, absolut gefährlich“, hatte Löw schon vor den jüngsten Debatten nach dem 0:6 gegen Spanien zu den deutschen EM-Aussichten bemerkt.

Info Die Champions-League-Partien von Borussia Dortmund gegen Lazio Rom und Istanbul Basaksehir gegen RB Leipzig waren bei Druck dieser Ausgabe noch nicht beendet. Ausführlic­he Berichte und Bilder finden Sie zu den Spielen bei uns im Internet unter: www.rp-online.de/sport

 ?? FOTO: DPA ?? Zwischen DFB-Präsident Fritz Keller (l) und Bundestrai­ner Joachim Löw scheint es derzeit nicht so harmonisch zu sein wie hier bei der EM-Auslosung.
FOTO: DPA Zwischen DFB-Präsident Fritz Keller (l) und Bundestrai­ner Joachim Löw scheint es derzeit nicht so harmonisch zu sein wie hier bei der EM-Auslosung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany