Warum Peking Interesse an Kamp-Lintfort hat
Ein chinesisches Rüstungsunternehmen wollte über Umwege die Firma IMST kaufen, einen Spezialisten für Satellitentechnik. Der Bund hat das verhindert.
KAMP-LINTFORT Wenn Kamp-Lintfort in den vergangenen Monaten in den Schlagzeilen war, ging es meistens um die Landesgartenschau. Doch hinter den Kulissen ist die 40.000-Einwohner-Stadt am Niederrhein seit 2019 Teil der Weltpolitik.
Ein chinesischer Rüstungskonzern wollte das Unternehmen IMST kaufen, einen Spezialisten für 5G-, Satelliten- und Radartechnik. Doch die Bundesregierung beschloss am Mittwoch bei ihrer Kabinettssitzung, das Geschäft unter Verweis auf die Außenwirtschaftsverordnung zu untersagen. Durch die Übernahme, heißt es in einer Kabinettvorlage, gehe eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. Zuerst hatte „Media-Pioneer“über den Vorgang berichtet.
In der Vorlage heißt es, IMST habe für den Erdbeobachtungssatelliten „TerraSar-X“eine Schlüsselkomponente entwickelt. Deren Daten habe das Bundesverteidigungsministerium für einen dreistelligen Millionenbetrag angekauft. Daraus sei für militärische Zwecke ein hochpräzises 3D-Höhenmodell errechnet worden, das zum Beispiel in Aufklärungs-, Führungs-, Simulationsund Waffensystemen eingesetzt wird: „Ohne Untersagung würde dieses Knowhow nach China abfließen und zur Aufrüstung Chinas beitragen.“Man befürchtete, dass der Verkauf dabei helfen könnte, die chinesischen Streitkräfte aufzurüsten – und den deutschen Sicherheitsinteressen im Weltraum zuwiderlaufe.
Das Institut für Mobil- und Satellitenfunktechnik (kurz: IMST) wurde 1992 von IngoWolff gegründet, einem angesehenWissenschaftler, der im Bereich Hochfrequenztechnik habilitiert hat. Der spätere Rektor der Universität Duisburg-Essen baute das Institut parallel zu seiner Tätigkeit an der Hochschule auf. IMST sollte den Transfer von Forschungsergebnissen in die Industrie ermöglichen – ein Unterfangen, das gelang. Heute beschäftigt das Unternehmen laut der Kabinettsvorlage 165 Mitarbeiter und macht rund 14 Millionen Euro Umsatz. Laut derVorlage stammen 127 Millionen Euro des Umsatzes aus Fördermitteln. Doch dieser Darstellung widerspricht Geschäftsführer Peter Waldow. 127 Millionen Euro sei der Gesamtumsatz, also die Summe aus Fördermitteln und Industrieumsätzen. Generell sieht Waldow das Vorgehen der Bundesregierung kritisch:„Vieles an der Darstellung ist nicht richtig. Wir fühlen uns politisch instrumentalisiert.“Es sehe so aus, als solle an dem Unternehmen ein Exempel statuiert werden. Was Waldow meint: Zuletzt gab es immer wieder Übernahmen von deutschen Unternehmen durch chinesische Firmen – was der Bundesregierung nicht immer gefiel.
In diesem Fall versuchten chinesische Mitarbeiter über die Tochterfirma EMST ihren Einfluss in Kamp-Lintfort immer weiter auszubauen. Zuletzt wollte man die Anteile auf 94,44 Prozent aufstocken.
Die Sorge vor einer feindlichen Übernahme teilte man am Niederrhein offenbar nicht. Bei einer Abstimmung sprachen sich laut Waldow 96,9 Prozent der befragten Mitarbeiter für den Verkauf aus. Das ist nicht unwichtig: Ihnen gehört ein Großteil der Firma.