Was nicht digital existiert, gibt's nicht
Felix Krämer, Chef des Museums Kunstpalast, zieht in unserer Serie „Blick in die Zukunft“eine Bilanz der Corona-Monate. Und er wagt einen Ausblick auf das nächste Jahr. Denn er ist sicher: Museen und ihr digitaler Auftritt werden in diesen Zeiten immer wichtiger.
Ist das für Euch wie ein ewiger Montag?“, will eine Freundin über den Lockdown im Museum wissen. Zur Überraschung vieler ist der Wochenanfang für die meisten Kolleginnen und Kollegen im Kunstpalast ein ganz normaler Arbeitstag. Doch genau diese Normalität fehlt im Lockdown, wenn unklar ist, wann und wie wir wieder öffnen dürfen. Neben all den Problemen, die sich durch die erneute Museumsschließung ergeben, bietet diese Krise auch die Chance, das eigene Handeln zu überdenken und den Kompass neu zu justieren. Soziologen sind sich einig, dass die Corona-Pandemie wie ein„Brennglas“wirke, das bereits bestehende Missstände verstärke und blinde Flecken derWahrnehmung sichtbar mache.
Dabei ist nicht erst seit diesem Jahr offensichtlich, dass die Institution Museum generell unter Druck ist und Reformbedarf besteht. Lange vorbei sind die Zeiten, als Menschen sich für ihr Desinteresse als „Kunstbanausen“entschuldigten. Heute gilt: Wagner oder/und Wendler, Caspar David Friedrich oder/und Fortuna – anything goes.
In derWahrnehmung vieler Politiker sind Museen vor allem Freizeiteinrichtungen. Dass es sich hierbei aber in erster Linie um Bildungsinstitutionen handelt, die dem Sammeln, Forschen, Bewahren und Vermitteln von Errungenschaften der Menschheit dienen, ist aus dem Blickfeld geraten. Wenn weniger als zehn Prozent der Gesamtbevölkerung regelmäßig ein Museum besuchen und sogar in einer Kunst-Stadt wie Düsseldorf der Museumsbesuch für Schulklassen nicht selbstverständlicher Bestandteil des Unterrichts ist, dann wird deutlich, dass etwas geschehen muss.
Ein Haus ohne Besucher wird langfristig Probleme haben, sein Bestehen zu rechtfertigen. Die Klage über mangelndes Interesse des Publikums wird da nicht helfen. Ist das Angebot unattraktiv, dann bringt es langfristig auch nichts, nur den Preis zu senken (Stichwort: freier Eintritt). Das Produkt und dessen Vermarktung müssen verbessert werden. Im Falle von Museen sind das in erster Linie Ausstellungen und deren Vermittlung. Dabei ist ein Spagat zu absolvieren: Während man einerseits sein Profil als Bildungsinstitution schärfen will, muss man andererseits deutlich machen, dass der Besuch eines Museums Spaß macht, inspiriert und bestenfalls wie ein Bildungsurlaub funktioniert. Neben dem Ausstellungsangebot, das in seiner Mischung idealerweise ein breites Publikum anspricht, spielt die Kommunikation über soziale Medien und die eigenen Internetseiten eine immer wichtigere Rolle.
Bevor Besucher tatsächlich den Kunstpalast oder das NRW-Forum betreten, informieren sie sich meist digital über unser Angebot. Vor allem bei Kindern gilt mittlerweile: Was nicht digital existiert, das gibt's nicht. Umso überraschter bin ich, dass wir immer noch das einzige Kunstmuseum in Deutschland sind, das über eine Internetseite für Kinder verfügt. Die Arbeit an dem gemeinsam mit der Ergo-Versicherung entwickelten Projekt hat uns gezeigt, welche Bedeutung das Zuhören hat. In mehreren Workshops haben wir speziell nach den Bedürfnissen von Kindern und Eltern gefragt und die gesammelten Ergebnisse bei der Entwicklung unserer Webseite berücksichtigt. So gehen wir nun auch im Rahmen unserer Initiative der „Palast-Pilot*innen“vor. Aus über 1000 Bewerbungen Düsseldorfer Bürger und Bürgerinnen haben wir zehn ausgesucht, die sich regelmäßig mit uns treffen, um über Konzepte für die Vermittlung und Präsentation der Sammlung zu sprechen.
Riesiges Interesse haben unsere Initiativen Nextmuseum.io – eine offen zugängliche Plattform zum Kuratieren – sowie die Ausstellung „Die Kleine“erfahren, bei der wir nun schon zum zweiten Mal die Grundschulen Düsseldorfs einladen, ihre Kunstwerke in unseren Räumen zu präsentieren. Auch der Freundeskreis des Museums hat in letzter Zeit seine Mitgliederzahl mehr als verdoppelt. All dies erfolgt parallel zu den umfangreichen baulichen Sanierungsmaßnahmen, denen der Rat der Stadt im Sommer zugestimmt hat. Ziel ist es, nicht nur die bauliche Attraktivität des Museums zu steigern, sondern den Kunstpalast in die Mitte der Gesellschaft zu rücken.
Die gegenwärtige Corona-Krise zeigt, wie wichtig es ist, diesen Weg konsequent weiterzugehen. Dieses gemeinsam umzusetzen, das ist meine Hoffnung für die Zukunft.