Rheinische Post

Starker Neustart nach dem Lockdown

Nicole Albrecht und Claudia Hoferer sind froh, wieder Kunden in der Buchhandlu­ng Dietsch begrüßen zu können.

- RP-FOTO: ANNE ORTHEN PROTOKOLLI­ERT VON DOMINIK SCHNEIDER

Nicole Albrecht und Claudia Hoferer sind froh, wieder Kunden ohne einen Termin in der Buchhandlu­ng Dietsch begrüßen zu können

BENRATH Seit anderthalb Wochen haben wir wieder geöffnet, und noch immer kommen die Benrather mit strahlende­n Augen zu uns. Es ist einfach toll, nach 82 Tagen Lockdown wieder Kunden im Laden zu haben – und auch die Menschen sind froh, sie tragen die Bücher stapelweis­e aus der Tür.

Anders als andere Branchen darf der Buchhandel ohne Termin Kunden empfangen. Wir haben eine elektronis­che Anlage, die per Infrarot automatisc­h zählt, wie viele Menschen sich im Laden befinden, und die Ampel an unserer Eingangstü­r auf Rot stellt, wenn mehr als 15 Kunden da sind. Wir beschränke­n uns freiwillig auf diese Zahl: Wie viele Menschen ein Geschäft betreten dürfen, wird über die Grundfläch­e berechnet – bei uns wären das 25. Aber da wir Säulen, Tische und Aufsteller haben, halten wir die 15 für realistisc­her – die Menschen wollen sich ja auch bewegen können.

Dass wir nicht auf Click and Meet angewiesen sind, ist ein großer Vorteil. So können die Menschen spontan kommen, stöbern, ohne die gefühlte Verpflicht­ung, etwas zu kaufen. Und im Moment erleben wir, wie wichtig dieses ungezwunge­ne Bummeln auch in unserer Branche ist. Im Lockdown haben wir kein schlechtes Geschäft gemacht, aber die Menschen haben in der Regel bestimmte Bücher gekauft. Jetzt können sie durch den Laden gehen und etwas finden, was ihnen gefällt. Es ist ein großer Vorteil, dass man Bücher nicht wie Kleidung anprobiere­n muss, dass sie nicht wie vielleicht Geschirr die falsche Farbe haben können – sie sind in der Pandemie ein sehr dankbares Produkt.

Und der Buchhandel erlebt gerade einen Boom. Die Menschen sind zu Hause, haben häufig mehr Zeit und lesen mehr. Das merken wir vor allem im Bereich der Kinderlite­ratur – wenn die Kinder mehr zu Hause sind, lesen die Familien oft gemeinsam. Dazu kommt ein erhöhter Absatz von Schullernh­ilfen im Homeschool­ing.

Im zweiten Lockdown haben wir im Fenster mit altem Mobiliar, dass noch von den ehemaligen Betreibern, dem Ehepaar Ohm, stammt, einen Schaufenst­erbummel ermöglicht. Wer etwas gefunden hatte, konnte es bei uns bestellen und dann abholen – um den Kontakt zu minimieren, haben wir nur Rechnungen ausgestell­t.Wir haben Beratung per Telefon, Mail und Whatsapp gegeben und über unsere Kanäle auf Facebook und Instagram immer wieder Lesetipps und ganze Themenwoch­en präsentier­t. Diese digitale Form der Kommunikat­ion mit den Kunden wollen wir auf jeden Fall dauerhaft beibehalte­n. In den 82 Tagen, die wir zu hatten, haben wir über 7000 Bestellung­en erhalten. Wir sind also ganz gut über die Zeit gekommen. Unsere Stammkunde­n haben uns in dieser Zeit gut versorgt, wir haben immer wieder Plätzchen, Schokolade oder Zimtsterne bekommen.

Trotzdem ist es natürlich viel schöner, den Laden mehr oder weniger so wie gewohnt betreiben zu können. Es tut gut, wieder ein Schwätzche­n mit Kunden halten zu können. Am ersten Tag hatten wir fast damit gerechnet, von Menschen überrannt zu werden – aber der Ansturm ist ausgeblieb­en.Wir glauben, es herrscht noch viel Unklarheit. Bis heute sind sich viele Benrather unsicher, warten vor unserer Türampel, obwohl sie auf Grün steht. Dafür hat sich die Disziplin, was Masken und Abstand betrifft, nach dem zweiten Lockdown deutlich verbessert. Manchmal sind zu viele Kunden im Laden, dann warten die übrigen geduldig vor dem Laden – auch bei schlechtem Wetter.

Als wir Anfang 2019 dieses über 100 Jahre alte Geschäft übernommen haben, hätten wir uns nie träumen lassen, es so bald durch so turbulente Zeiten führen zu müssen. Aber wir kommen bisher gut zurecht – und nach dem Lockdown ist die Stimmung uns und auch bei unseren Kunden super.

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Nicole Albrecht (l.) und Claudia Hoferer sind glücklich, wieder Kunden zu empfangen. Mit besonderen Aktionen hielten sie die Nähe zu ihnen.
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