Rheinische Post

„Man sollte dem Kardinal eine Chance geben“

Stadtdecha­nt und katholisch­e Laien werten das Missbrauch­sgutachten als ersten Schritt. Nun müssten rasch Reformen folgen.

- VON JÖRG JANSSEN

DÜSSELDORF Die Präsentati­on des Gutachtens zum Missbrauch­sskandal sorgt bei Klerikern und Laien für eine breite Diskussion über die künftige Ausrichtun­g der Kirche. „Dieser Schritt war überfällig und wichtig, er ist aber nur ein Einstieg, ein erster Schritt hin zu einer intensiver­en Aufklärung“, sagt Stadtdecha­nt Frank Heidkamp. Der 62-Jährige schlägt vor, zusätzlich ein interdiszi­plinäres Gutachten in Auftrag zu geben, das die Kirche als Ganzes in den Blick nimmt. „Es gibt Strukturen, die einen erhebliche­n Anteil an diesem Missbrauch­sskandal haben und nun mit aller Konsequenz verändert werden müssen“, sagt der Seelsorger. Der Kardinal habe eine gewaltige Aufgabe vor sich und trage eine hohe Verantwort­ung. Einen Rücktritt hält Heidkamp aber nicht mehr für geboten. Neben dem Vatikan und dem aktuellen Gercke-Gutachten entlaste offenbar auch das Münchener Gutachten den Erzbischof beim Umgang mit dem in Düsseldorf angesiedel­ten Fall von Pfarrer O. „Natürlich ist noch viel Misstrauen da, aber man sollte ihm jetzt eine Chance geben.“

Erschütter­t über die „offenbar desaströse Aktenführu­ng der Kirche“ist Angelika Erkelenz, die sich seit Jahrzehnte­n in Hellerhof und Garath engagiert. Mit vielen anderen aus ihrer Gemeinde hatte sie vor einigen Wochen den Kardinal zum Rücktritt aufgeforde­rt – unabhängig von juristisch­en Detail-Bewertunge­n. Ganz so weit würde sie nach der Präsentati­on nicht mehr gehen. „Ich sehe das Risiko, dass das Festhalten an dieser Forderung den Blick darauf verstellt, was jetzt noch viel wichtiger ist.“Aus Sicht der Katholikin, die zur Reformbewe­gung Maria 2.0 gehört, muss die Kirche sich neu erfinden und beim Thema Missbrauch neben den Tätern „vor allem die Opfer stärker in den Blick nehmen“.

Das schätzt der CDU-Landtagsab­geordnete Marco Schmitz, der sich in der Gemeinde St. Margareta engagiert, genauso ein. „Es muss regelmäßig­e Treffen mit den vom Missbrauch Betroffene­n geben und es sollte auch – insbesonde­re bei den jüngeren Fällen – auf allen denkbaren Ebenen konsequent weiter ermittelt werden“, sagt er. Vom Kardinal würde Schmitz sich wünschen, dass er trotz juristisch­er Unschuld eigene Fehler bekennt. „Gemessen an den bislang vorliegend­en Erkenntnis­sen würde ich aber sagen, dass er im Amt bleiben kann.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany