„Man sollte dem Kardinal eine Chance geben“
Stadtdechant und katholische Laien werten das Missbrauchsgutachten als ersten Schritt. Nun müssten rasch Reformen folgen.
DÜSSELDORF Die Präsentation des Gutachtens zum Missbrauchsskandal sorgt bei Klerikern und Laien für eine breite Diskussion über die künftige Ausrichtung der Kirche. „Dieser Schritt war überfällig und wichtig, er ist aber nur ein Einstieg, ein erster Schritt hin zu einer intensiveren Aufklärung“, sagt Stadtdechant Frank Heidkamp. Der 62-Jährige schlägt vor, zusätzlich ein interdisziplinäres Gutachten in Auftrag zu geben, das die Kirche als Ganzes in den Blick nimmt. „Es gibt Strukturen, die einen erheblichen Anteil an diesem Missbrauchsskandal haben und nun mit aller Konsequenz verändert werden müssen“, sagt der Seelsorger. Der Kardinal habe eine gewaltige Aufgabe vor sich und trage eine hohe Verantwortung. Einen Rücktritt hält Heidkamp aber nicht mehr für geboten. Neben dem Vatikan und dem aktuellen Gercke-Gutachten entlaste offenbar auch das Münchener Gutachten den Erzbischof beim Umgang mit dem in Düsseldorf angesiedelten Fall von Pfarrer O. „Natürlich ist noch viel Misstrauen da, aber man sollte ihm jetzt eine Chance geben.“
Erschüttert über die „offenbar desaströse Aktenführung der Kirche“ist Angelika Erkelenz, die sich seit Jahrzehnten in Hellerhof und Garath engagiert. Mit vielen anderen aus ihrer Gemeinde hatte sie vor einigen Wochen den Kardinal zum Rücktritt aufgefordert – unabhängig von juristischen Detail-Bewertungen. Ganz so weit würde sie nach der Präsentation nicht mehr gehen. „Ich sehe das Risiko, dass das Festhalten an dieser Forderung den Blick darauf verstellt, was jetzt noch viel wichtiger ist.“Aus Sicht der Katholikin, die zur Reformbewegung Maria 2.0 gehört, muss die Kirche sich neu erfinden und beim Thema Missbrauch neben den Tätern „vor allem die Opfer stärker in den Blick nehmen“.
Das schätzt der CDU-Landtagsabgeordnete Marco Schmitz, der sich in der Gemeinde St. Margareta engagiert, genauso ein. „Es muss regelmäßige Treffen mit den vom Missbrauch Betroffenen geben und es sollte auch – insbesondere bei den jüngeren Fällen – auf allen denkbaren Ebenen konsequent weiter ermittelt werden“, sagt er. Vom Kardinal würde Schmitz sich wünschen, dass er trotz juristischer Unschuld eigene Fehler bekennt. „Gemessen an den bislang vorliegenden Erkenntnissen würde ich aber sagen, dass er im Amt bleiben kann.“