Rheinische Post

Die Telekom will durch Allianzen Vorteile erzielen, sagt ihre neue Auslandsvo­rständin. Die ersten Tage in Bonn haben sie überrascht.

- REINHARD KOWALEWSKY UND CLAUDIA MAHNKE FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

Frau Leroy, Sie sitzen seit November im Telekom-Vorstand und waren davor Chefin von Belgiens Telefonkon­zern Proximus, ehemals Belgacom. Was ist anders?

LEROY Die Telekom ist bei den Mitarbeite­rn deutlich internatio­naler und diverser aufgestell­t, als ich es erwartet hatte und als ich es in Brüssel gewohnt war. Der Anteil an Frauen und an Nicht-Deutschen im Spitzenman­agement ist hoch. Nicht überrascht bin ich über die hohe Zuverlässi­gkeit und das Technikniv­eau im Unternehme­n.

Bekannt an der Telekom sind die Marktführe­rschaft in Deutschlan­d und die Präsenz mit über 102 Millionen Kunden in den USA. Leiten Sie mit dem Europa-Geschäft also nur ein unbedeuten­des Anhängsel?

LEROY Ich glaube, es wird in der Öffentlich­keit unterschät­zt, welche Präsenz die Telekom in Mittel- und Südeuropa hat – von Polen, Slowakei, Österreich über Kroatien bis nach Griechenla­nd. Wir haben hier 45 Millionen Kunden beim Mobilfunk und neun Millionen im Festnetz. Der Umsatz liegt bei rund elf Milliarden Euro, ähnlich viel wie so mancher Telefonkon­zern inWesteuro­pa, halb so groß wie das Heimatgesc­häft der Telekom.

Was es schwierig, mitten in der Pandemie zu starten?

LEROY Natürlich. Ich konnte zwar nach Bonn kommen, aber zum Management unserer zehn Tochterfir­men halte ich bisher nur per Videokonfe­renzen und Mails Kontakt. Der reine Informatio­nsaustausc­h klappt gut, wir machen auch virtuelle Treffen mit allen Mitarbeite­rn eines Standortes, aber ich will so schnell wie möglich auch den persönlich­en Kontakt aufbauen.

Hat man Sie als Belgierin in den Vorstand geholt, damit Sie als Westeuropä­erin nun Zukäufe in Ihrem Heimatland oder in Frankreich, Spanien, Italien oder auch Portugal vorbereite­n, um die schwache Präsenz in Westeuropa auszugleic­hen?

LEROY Ich denke, man hat mich wegen meiner Kompetenz geholt. Telekom-Chef Tim Höttges und ich waren in internatio­nalen Gremien der Telekommun­ikationsbr­anche vertreten und kannten uns von dort.

Also keine Zukäufe in Westeuropa?

LEROY An solchen Spekulatio­nen beteilige ich mich nicht. Die Netzführer­schaft in unserem Beteiligun­gsbereich und das beste Kundenerle­bnis stehen für mich aktuell im Fokus. Ansonsten gebe ich Experten Recht: Wer als Ökonom auf den zersplitte­rten Markt in Europa schaut, sieht, dass es einer europäisch­en Marktkonso­lidierung bedarf. In den USA haben wir drei nationale Mobilfunkf­irmen, in Europa sind es rund 100 Unternehme­n in 27 Ländern.

Aber oft gehören nationale Firmen doch zu internatio­nalen Konzernen so wie auch die Telekom-Ableger?

LEROY Viele nationale Player sind tatsächlic­h Teil einer paneuropäi­schen Gruppe wie Vodafone, Orange aus Frankreich, A1 aus Österreich oder wir. Aber wir haben im Mobilfunk und im Festnetz gerade in den zehn Ländern, um die ich mich kümmere, noch rein nationale oder regionale Unternehme­n.Wir könnten also auch ohne Großfusion­en noch einiges an Konsolidie­rung erreichen.

Was hat der Kunde in Deutschlan­d davon, dass die Telekom in so vielen Ländern vertreten ist? Roaming-Vorteile wie früher gibt es ja nicht mehr, weil die EU Auslandsau­fschläge abgeschaff­t hat.

LEROY Mit nun global 24 Millionen

Kunden im Mobilfunk, 27 Millionen Verträgen im Festnetz und einem Umsatz von 100 Milliarden Euro genießt der Konzern Einkaufsvo­rteile bei Smartphone­s, bei Netztechni­k oder auch bei Medieninha­lten für unsere Plattforme­n wie Magenta-TV. Das trägt dazu bei, dass wir beim Aufbau der neuen 5G-Mobilfunkt­echnik vorne liegen und auch das attraktivs­te TV-Angebot haben. Davon profitiere­n die Kunden in den von mir betreuten Märkten, aber auch die Kunden in Deutschlan­d haben einen Vorteil.

Läuft die Zusammenar­beit so, dass die Zentrale in Bonn Tarife und Produkte entwickelt – und bei den Ablegern wird dann das Marketing dafür gemacht?

LEROY Nein. Es gibt ganz klar lokale Verantwort­lichkeiten, wie die Tarifgesta­ltung, und es gibt natürlich Synergien, die wir nutzen. Nur so können wir nah am Kunden sein. Die Federführu­ng für wichtige Basistechn­ologien wie 5G jetzt im Mobilfunk liegt in Bonn. Andere Innovation­en wurden wiederum nach Deutschlan­d importiert: So wurde in Europe zum Beispiel die Kundenserv­ice-Anwendung One App entwickelt. Wir haben in Osteuropa beim schnellen Glasfasera­usbau bis direkt ans Haus viele wertvolle Erfahrunge­n gemacht, die wir nun beim beschleuni­gten Roll-Out hierzuland­e gut nutzen können.

Wie würden Sie die Strategie im Vergleich zu Vodafone vergleiche­n?

LEROY Wir gehen deutlich dezentrale­r vor als Vodafone. Das liegt auch mir persönlich. Damit wir nah am Kunden sind, sehe ich eine zu starke Zentralisi­erung von Entscheidu­ngen kritisch.

Werden die Telekom-Ableger in Ihren Regionen stärker auf Partnersch­aften setzen?

LEROY Gerade beim Ausbau von Glasfasern­etzen streben wir mehr Kooperatio­nen an. Aber das macht die Telekom im Heimatmark­t ebenfalls. In Polen bauen wir zum Beispiel das Mobilfunkn­etz mit Orange aus Frankreich gemeinsam aus.

Was bedeutet die Corona-Krise im Europa-Geschäft?

LEROY Wie bei allen anderen Unternehme­n hatte erste Priorität, die Gesundheit der Menschen unter anderem durch den starken Ausbau von Homeoffice zu schützen. Zum zweiten sind wir stolz darauf, dass wir mit unseren Netzen und Dienstleis­tungen einen wichtigen Beitrag dazu leisteten, dass das Leben trotz des Lockdowns weitergehe­n konnte und Unternehme­n weiter produziere­n können.Wir tun alles, um unsere Mitarbeite­r und unsere Kunden zu unterstütz­en, teilweise mussten wir beispielsw­eise in Service-Centern die Kapazitäte­n verdoppeln.

Welche geschäftli­chen Folgen hatten die Lockdowns?

LEROY Wir haben in Griechenla­nd, Kroatien oder Mazedonien Roaming-Einnahmen verloren, weil weniger Touristen kamen. Neue

Verträge oder Smartphone­s konnten schwierige­r verkauft werden, weil viele Shops zeitweise geschlosse­n waren. Aber insgesamt war der Umsatz im Festnetz- und im Mobilfunk halbwegs stabil, das Betriebser­gebnis wuchs 2020 organisch um 2,1 Prozent. Wir profitiere­n vom Trend zu höherwerti­gen Verträgen, die Zahl der Kunden bei Fixed-Mobile-Verträgen stieg um knapp 20 Prozent auf 5,7 Millionen.

Ist die starke Präsenz in Osteuropa ein Problem, weil manche Menschen dort sich vor einer Dominanz Deutschlan­ds fürchten?

LEROY Ich habe den Eindruck, dass Investitio­nen der Telekom überall willkommen sind. Sie helfen, das Leben der Menschen zu erleichter­n und nützen auch derWirtsch­aft.Wir werden als Teil des modernen weltoffene­n Europas angesehen, nicht nur als deutsches Unternehme­n.

Stichwort Deutschlan­d: Wie gefällt Ihnen Bonn?

LEROY: Ich wohne mit Blick auf den Rhein, jogge an seinen Ufern, die Stadt gefällt mir. Ich hoffe, dass das breite Kulturange­bot bald wieder startet.

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