Testpflicht lenkt vom Politik-Versagen ab
Der Aufschrei der Arbeitgeberverbände kam prompt: Die geplante Testpflicht sei eine „Misstrauenserklärung“gegenüber den Firmen. Das ist angesichts der dürftigen Bilanz der Wirtschaft erstmal reichlich vorlaut. Nur 61 Prozent der Beschäftigten haben einen Arbeitgeber, der ihnen Corona-Tests anbietet. Dabei können regelmäßige Tests zweifellos helfen, symptomfreie Infizierte zu entdecken und die stumme Verbreitung des Virus zu stoppen. Je mehr ein Land testet, desto besser lassen sich pauschale Lockdowns verhindern. Dennoch haben die Arbeitgeber recht: Regelmäßiges Testen der Bürger ist eine klassische Aufgabe des Staates im Rahmen der Pandemie-Bekämpfung. Dass die große Koalition diese gesellschaftliche Aufgabe nun teilweise auf Betriebe abwälzt, ist verräterisch: Es zeigt der Wirtschaft einmal mehr, was sie an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat – nämlich nichts. Er hat offenbar im Rahmen des großen Lockdown-Geschachers seinenWiderstand gegen die Pläne von SPD-Arbeitsminister Heil aufgegeben. Anstatt dafür zu sorgen, dass die Hilfen endlich bei allen seit Monaten geschlossenen Unternehmen ankommen, belastet die große Koalition die Wirtschaft weiter. Den Hinweis, Firmen könnten sich Test-Kosten erstatten lassen, werden viele als Drohung empfinden – so kompliziert wie die Antragstellung jetzt schon ist.
Mit der Testpflicht für Betriebe will die Koalition nur von ihrem eigenenVersagen ablenken: bei den Hilfen, beim Impfen und Testen. Der Staat kann erst recht keine Testpflicht verhängen, wenn ein Drittel der Unternehmen Probleme hat, Tests zu beschaffen, wie sie der Kanzlerin melden. Ein Staat, der es nicht einmal schafft, alle seine Schüler pünktlich zu testen, sollte erst einmal seine Hausaufgaben machen, bevor er der leidgeplagten Wirtschaft neue Bürden auferlegt.
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