Die Union ringt um eine Entscheidung. Zwei Szenarien für die Zeit danach.
Wie geht es weiter in der Union? Unklar. Die beiden Parteivorsitzenden Armin Laschet und Markus Söder seien weiterhin im Gespräch, heißt es am Freitag. Eine Entscheidung gab es bis zum Abend nicht. Zwei Szenarien.
DÜSSELDORF Die Union läuft auf eines der spannendstenWochenenden ihrer Geschichte zu. In CDU-Kreisen kursierte am Freitag ein Zitat aus Franz Josef Strauß' berühmter Wienerwald-Rede, das das Mißtrauen der Schwesterparteien schöner nicht auf den Punkt bringen könnte: „Die politischen Pygmäen der CDU, die nur um ihre Wahlkreise bangen, diese Zwerge im Westentaschenformat, diese Reclam-Ausgabe von Politikern“. Armin Laschet oder Markus Söder?
Szenario eins: CDU-Chef Armin Laschet setzt sich durch
In der Funktionärsriege der CDU würde man kräftig aufatmen. Auch wenn nicht jeder glücklich mit der Person Armin Laschet alsWahlkämpfer ist, so hat man sich doch um den CDU-Vorsitzenden geschart. Nicht noch einmal einenVorsitzenden beschädigen, so der Tenor. Armin Laschet habe breite Unterstützung in der CDU, auch außerhalb von Nordrhein-Westfalen und auch über die Mitglieder des Präsidiums und Bundesvorstandes hinaus, sagte etwa NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper: „Die CDU hat ihren Vorschlag gemacht – daher sollte Markus Söder jetzt glaubwürdig bleiben und seine eigene Ankündigung umsetzen, einen Vorschlag der CDU zu akzeptieren.“Lienenkämper erwartet eine kurzfristige Entscheidung, spätestens am Wochenende.
Der eine oder andere in Laschets Landesverband wünscht sich deutlich härtere Angriffe gegen den Mann aus Bayern. Doch Laschets direktes Umfeld soll Druck machen, nicht zu hart gegen den Kontrahenten aus dem Süden zu schießen.
Auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak betonte am Freitag nochmals die Entschlossenheit der CDU, für Laschet zu kämpfen. „Wir stehen mit ganzer Kraft und entschlossen hinter Armin Laschet. Armin Laschet ist der richtige Kandidat, um zu einen und zusammenzuführen. Er hat einen klaren Kompass, ein verlässlichesWertefundament und steht für die ganze Breite der Union“, sagte Ziemiak. „Wir müssen die Entscheidung für den Kanzlerkandidaten nun zügig gemeinsam treffen und Geschlossenheit herstellen. Deutschland steht vor großen Herausforderungen und Aufgaben. Wir dürfen das Land nicht einer grün-rot-roten Linksregierung überlassen, sondern werden entschlossen für eine moderne Politik der Mitte mit einer unionsgeführten Regierung kämpfen“, betonte der CDU-Politiker.
Auch CDU-Vize Julia Klöckner stellte sich hinter Laschet und rief die beiden Kontrahenten auf, „schleunigst, am besten am Wochenende, sich zu einigen“.
Bundestagspräsidentundestagspräsident Wolfgang Schäuble führt als mächtiger CDU-Politiker im Hintergrund viele Gespräche, die Ministerpräsidenten Hessens und Schleswig-Holsteins, VolkerBouffie rund Daniel Günther, stellten sich ebenfalls unmissverständlich vor Laschet. Der sa arländisc he Ministerpräsident Tobias Hans stellte allerdings erneut die Bedeutung von Umfragen heraus und betonte, dass dem Beschluss des CDU-Präsidiums, das sich einhellig für Laschet als Kanzlerkandidaten aussprach, dabei nicht ausschließliche Bedeutung zukomme.
Sollte sich Laschet durchsetzen, so müsste er schnell die Konditionen klären, die Söder für den Rückzug gestellt hat – damit beide zusammen in denWahlkampf ziehen können. Und Laschet müsste sich dringend um die Befriedung der Bundestagsfraktion kümmern – die große NRW-Landesgruppe steht hinter ihm, aber er bräuchte für einenWahlkampf mehr Abgeordnete im Boot.
Söders Lage ist im Moment noch ein wenig komfortabler. Auch wenn er am Ende nicht obsiegt, ist seine Rolle als CSU-Chef und Ministerpräsident unangefochten.
Szenario zwei: CSU-Chef Markus Söder gewinnt den Machtkampf Der ehrgeizige Franke muss derzeit etwas machen, was er nicht gerne tut: abwarten. Anders als bei früheren Machtkämpfen in der CSU ist sein Einfluss in der CDU begrenzt. Doch die Situation ist für Söder nicht generell neu. In seiner politischen Karriere setzte er immer auf die Unterstützung der Basis und konnte sich so auch gegen starkeVorbehalte von Funktionären und hohen Parteigremien durchsetzen. So war es auch bei seiner Wahl zum Parteichef und Ministerpräsidenten. Da brachte er sich trotz aller Gegenwehr seinesVorgängers Horst Seehofer am Ende in eine Position, in der dieser dem Druck von CSU-Basis und Landtagsfraktion nicht mehr standhalten konnte.
Allerdings macht sich in der CSU auch Nervosität breit. Die Entscheidung hat weitreichende Folgen – gerade auch dann, wenn Söder als Sieger daraus hervorgehen würde. Sein Wechsel nach Berlin würde in München ein Vakuum hinterlassen und die CSU in eine völlig neue Rolle versetzen. In den zwei Jahren und zwei Monaten seines Parteivorsitzes hat Söder die Partei nach seiner Façon geprägt und geformt.
Zu diesem Wandel gehört nicht nur, dass der Franke der CSU einen moderneren, jüngeren, weiblicheren und grüneren Anstrich gab. Söders Kurs bedeutet auch, dass alle Macht bei ihm gebündelt ist und starke Stimmen neben dem Parteichef in der Öffentlichkeit immer mehr verhallten. SödersWeggang würde auch die Position der Christsozialen im Bund neu justieren. Sie verlören damit ihre Sonderrolle als kleinere Regionalpartei innerhalb der großen Union, die bei Koalitionsverhandlungen oder Kabinettsausschüssen stets eine Extrawurst für den Freistaat herauszuverhandeln versucht. Als Kanzlerpartei könnte die CSU nicht mehr als Opposition innerhalb der Regierung auftreten. Man müsste sich disziplinieren – auch dieser Punkt wird in Bayern nicht ohne Skepsis gesehen. Und wie er ohne Hilfe der NRW-CDU und der CDU-FunktionsträgerWahlkampf machen kann, ist offen.
Ein in Machtfragen erfahrener Altkanzler jedenfalls gab sich nicht überzeugt von Söders Führungsanspruch im Bund. „Er simuliert Führung mehr, als dass er sie tatsächlich ausübt“, sagte Altkanzler Gerhard Schröder (SPD). Der Machtkampf in der Union – er ist weiter offen.