Neuhaus präsentiert sich in München
Die jüngsten Aussagen des 24-Jährigen klangen wie ein Bekenntnis: Bleibt er noch ein Jahr in Gladbach, um dann zum FC Bayern zu wechseln? Sportlich wäre er schon jetzt so weit, aber der neue Trainer könnte im Weg stehen.
MÖNCHENGLADBACH/MÜNCHEN Es passt zu Florian Neuhaus' rasanter Entwicklung, dass er seinen Zielen neuerdings auch ohne direktes Zutun näher kommt. Seit einigen Wochen listet ihn „transfermarkt.de“als wertvollsten Profi von Borussia Mönchengladbach. Bei 38 Millionen Euro stand Neuhaus schon länger, doch zuletzt büßten Denis Zakaria und Marcus Thuram, die bis dahin vor ihm lagen, ein paar Millionen ein. Am Dienstag ist Neuhaus auch seinem Traum von der Europameisterschaft näher gekommen, obwohl sein letzter Einsatz für Borussia einige Tage zurückliegt. Der Grund: Die Uefa hat bekanntgegeben, dass jeder Verband 26 statt 23 Spieler nominieren darf, um möglichen Corona-Ausfällen vorzubeugen.
Es wären längst keine Empfehlungsschreiben an Bundestrainer Joachim Löw mehr nötig, wenn Neuhaus auf seiner Position im zentralen Mittelfeld nicht nur die Nummer fünf in Deutschland wäre. Vor ihm tummelt sich durchweg Weltklasse: Toni Kroos, Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Ilkay Gündogan. Dreimal kann Neuhaus bis zur Nominierung noch auf sich aufmerksam machen, vielleicht setzt sich Löw am Samstag sogar ins Auto, um nach München zu fahren, wo Gladbach beim FC Bayern gefordert ist (18.30 Uhr, Sky).
Im Hinspiel schoss Neuhaus das Siegtor zum 3:2, insgesamt steht er bei fünf Bundesligatreffern in dieser Saison und bei sechs Vorlagen. Nur Matthias Ginter und Stefan Lainer haben mehr Pflichtspielminuten für Borussia vorzuweisen. Trainer Marco Rose muss nie verletzungsbedingt auf Neuhaus verzichten und hat es freiwillig in diesem Jahr erst zweimal getan. In der kommenden Saison wird Neuhaus einen neuen Trainer bekommen, denn so langsam kristallisieren sich nur noch zwei, drei realistische Szenarien heraus. Mit Rose zu Borussia Dortmund zu wechseln, zählt nicht dazu. Entweder bleibt Neuhaus trotz einer Ausstiegsklausel in seinem bis 2024 laufendenVertrag oder es zieht ihn zu einem der weltweiten TopTen-Klubs: Die Gerüchte um Real Madrid sind rarer geworden, Manchester City wurde zuletzt ebenfalls seltener gehandelt, dafür ging es um Jürgen Klopps FC Liverpool. Doch die wahrscheinlichste Variante ist diversen Quelle zufolge, dass Neuhaus am Samstag bei seinem Arbeitgeber der Zukunft vorspielt.
Gladbach hat schon länger keinen Top-Spieler an die Bayern verloren.
In Neuhaus haben die Fohlen einen in ihren Reihen, der aufgrund seiner Anlagen und seiner Vita vielleicht der prädestinierteste deutsche Nationalspieler ist, der noch nicht beim Rekordmeister unter Vertrag steht. Fußballerisch groß geworden ist Neuhaus in München, beim Lokalrivalen 1860. In seiner Kindheit schlug das Herz fürWerder Bremen: Mit sieben Jahren bekam Neuhaus ein Ailton-Trikot geschenkt, doch ein Johan-Micoud-Trikot hätte am besten gepasst. Dass Neuhaus` Vater im heimischen Kaufering einen Keller hat, der mit Bayern-Devotionalien tapeziert ist, hat der Junior selbst erzählt.
Kaufering liegt in Oberbayern, 20 Minuten sind es von dort bis nach Issing. Dort ist der Mann groß geworden, der spätestens 2022 Neuhaus` Trainer werden könnte: Julian Nagelsmann. Beide haben den Geburtsort Landsberg am Lech gemein und die Zeit bei den Münchner Löwen. Als Neuhaus 2007 mit zehn Jahren kam, verließ der 20-jährige Nagelsmann den Verein Richtung Augsburg und kam kurz darauf als Jugendtrainer wieder.
Jüngst ließ Neuhaus mit einem Statement zu den Gerüchten um seine Person aufhorchen: „Ich sehe meine Zukunft nicht so ungeklärt, wie darüber berichtet wird.“Es klang wie ein Bekenntnis. Adi Hütter, Gladbachs neuer Trainer, könnte Neuhaus als Herzstück seines Mittelfelds gut gebrauchen. „Ihn eins zu eins ersetzen, ist kaum möglich“, sagt Mats Beckmann vom Analyseportal „CreateFootball“. Neuhaus ist viel zwischen den Strafräumen unterwegs als „Box-to-Box-Player“, verkörpert aber auch einen modernen Spielmacher. So einen wird Borussia nicht so schnell finden, so einen kann sich der FC Bayern in diesem Jahr aber wohl nicht leisten. Was auch an der hohen Ablöse für Nagelsmann liegt.
Kaum ein Mittelfeldspieler in der Liga trägt den Ball dribbelnd oder passend so zuverlässig nach vorne. Effizienter vor dem Tor ist Neuhaus ebenfalls geworden. „Er wird zurecht mit größeren Vereinen in Verbindung gebracht“, sagt Beckmann. Gut möglich, dass Neuhaus und der größte Klub in Deutschland noch eine Saison aufeinander warten.