Brennpunkte sollen geimpft werden
Die Verwaltung hat dafür beim NRW-Gesundheitsministerium zusätzlichen Impfstoff beantragt. In der übernächsten Woche soll die Aktion starten, die Kassenärztliche Vereinigung spricht Praxen in acht Stadtteilen an.
Die Stadt plant eine Impfaktion in besonders betroffenen Vierteln. Dafür hat die Verwaltung zusätzlichen Impfstoff beim Land beantragt.
DÜSSELDORF Die Stadtverwaltung will eine Impfkampagne in sozial belasteten Stadtteilen starten. Dort ist die Quote von Corona-Infektionen höher als in anderen Stadtteilen. „Rund zehn niedergelassene Ärzte sollen dabei mitmachen“, bestätigt Stadtdirektor Burkhard Hintzsche Informationen unserer Redaktion. Hintzsche leitet den Corona-Krisenstab der Stadt und ist froh, dass das Projekt von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Düsseldorf vorangetrieben wird. Deren Chef Andre Schumacher hat bereits erste Zusagen von niedergelassenen Ärzten, die bei der Verimpfung zusätzlicher Kapazitäten mitmachen würden. Übernächste Woche soll die Aktion starten.
Einen Antrag auf die Zuteilung zusätzlicher Impfdosen hat die Stadt beim NRW-Gesundheitsministerium gestellt. Zunächst geht es um 500 Impfdosen pro Woche. Dass eine Steigerung möglich ist, zeigt der Blick nach Köln. Dort wurden an einem Impf-Mobil im besonders belasteten Stadtteil Chorweiler am Montag 300 Vakzindosen verimpft, jetzt sollen es täglich bis zu 750 werden. Düsseldorf setzt statt eines Impfbusses lieber auf die Hausärzte, da diese die Bürger in den Stadtteilen kennen und auf diese Weise „Impf-Schnorrer“nicht aussortiert werden müssen.
Der KV-Chef geht nach Rücksprache mit dem Krisenstab jetzt auf Kollegen zu in den Stadtteilen Lichtenbroich, Oberbilk, Lierenfeld, Eller, Holthausen, Rath, Hassels und Heerdt. Dort gibt es vergleichsweise mehr Corona-Fälle, da einige Umstände Infektionen eher begünstigen. Dazu zählen beispielsweise engere Wohnverhältnisse.
In Lichtenbroich sind bisher 4,6 Prozent der Menschen mit Corona infiziert worden, jeden 22. Bürger im Stadtteil hat es „erwischt“. In Hassels ist es jeder 24., die Quote liegt bei 4,1 Prozent, es folgen mit 3,8 Prozent Wersten, Lierenfeld, Heerdt, Eller, Flingern-Süd und die Altstadt. Kalkum hat den geringsten Anteilswert mit 1,2 Prozent, dort hat sich nur jeder 85. Bewohner angesteckt. Hubbelrath (1,7 Prozent), Carlstadt und Niederkassel (je 2,1 Prozent) sowie Pempelfort (2,3 Prozent) folgen auf dieser Seite der Statistik.
Barbara Dully leitet das ErnstLange-Haus der Diakonie in Hassels-Nord seit seiner Eröffnung 2012. Die Einrichtung liegt mitten in der Hochhaussiedlung und wird von den Bewohnern sehr gut angenommen. Dully hat seit Beginn der Pandemie einen erhöhten Beratungsbedarf der 3000 Menschen festgestellt. Viele Nationen leben in den 1415 Wohnungen auf engstem Raum friedlich zusammen.
„Viele Menschen hier haben wegen Corona existenzielle Sorgen, darunter finanzielle und gesundheitliche“, sagt Dully. Aufmerksam hat sie die Impfaktion der Stadt Köln in Chorweiler beobachtet und hält diese für „eine gute Sache“, auch wenn sie die Kritik einiger nachvollziehen kann, dass dadurch Menschen stigmatisiert werden könnten. Für sie geht es vordringlich aber um den Schutz der Bewohner in Vierteln mit hohen Inzidenzen – diese hätten ein „viel höheres Risiko, an Covid-19 zu erkranken“. Die Gründe liegen für sie auf der Hand: Da sind die beengten Wohnverhältnisse, denn Familien mit bis zu sechs Kindern leben in kleinen Wohnungen; sie haben viele Kontakte, da die Kinder nach wie vor alle in die Schule oder die Kita gehen. Weil Gärten fehlen, wird zusammen auf dem Spielplatz oder dem Platz vor dem Ernst-Lange-Haus gespielt. Viele Erwachsene arbeiten in prekären Arbeitsverhältnissen, wo Homeoffice nicht möglich ist und der Schutz der Beschäftigten nicht immer an erster Stelle steht.
Ob es die beste Lösung sei, über Hausärzte an die Menschen imViertel heranzukommen, werde sich zeigen müssen, sagt Dully. Viele Bewohner in Hassels-Nord suchten sich ihre Ärzte danach aus, ob sie ihre Sprache sprächen. Aber immerhin könne so ein Anfang gemacht werden. Sie wünscht sich, dass auf Sprach- und Kulturvermittler gesetzt wird, die die Menschen gut erreichen und Vertrauen für das Impfen wecken könnten.
Außerdem ist Barbara Dully der Hinweis wichtig, dass eine hohe Inzidenz in einem Stadtteil nicht heißt, dass die Menschen die Abstands- und Hygienevorschriften
nicht beachten würden. Wie überall gebe es hier unterschiedliche Gruppen: die Ängstlichen, die sich kaum noch vor die Tür trauen aus Sorge, sich anzustecken. Diejenigen, die rausgehen und sich an alle Regeln halten. Und die, die das eben nicht tun.
Dirk Angerhausen (CDU) sitzt für die Stadtteile Reisholz und Hassels im Düsseldorfer Stadtrat. Auch er hält eine vorzeitige Impfung in Wohnquartieren mit hohen Infektionszahlen für vernünftig.„Wir müssen dabei nur schauen, dass wir die Menschen abholen und gut aufklären.“Er wünscht sich eine persönliche Vor-Ort-Ansprache der Bewohner.