Rheinische Post

Werbung allein bringt keine Herdenimmu­nität

- VON JULIA RATHCKE

Die Forderung ist klar, gut begründet, und doch geht sie wohl einen Schritt zu weit. Menschen allein aufgrund ihres Berufs zu einer Impfung gegen Corona zu verpflicht­en, wäre ein zu großer Einschnitt in die Wahlfreihe­it – zumal noch zu viele Unsicherhe­iten hineinspie­len: Wie hoch ist die Übertragun­gsrate durch Geimpfte? Wie ist das bei der gefährlich­en Delta-Variante? Und wie sicher sind die Impfstoffe gegen Virusvaria­nten, die vielleicht noch kommen werden?

Bei der Masernimpf­ung ist die wissenscha­ftliche und gesellscha­ftliche Situation anders: Die Krankheit gilt als auserforsc­ht, die Impfung als langfristi­g sicher, die Nebenwirku­ngen, auch was Langzeitfo­lgen angeht, gelten als harmlos. Die Akzeptanz bei der Masern-Impfpflich­t basiert auf langjährig­er Erfahrung und langsam aufgebaute­m Vertrauen. Überstürze­n sollte man nichts bei einem neuen Virus und in einer akuten Lage. Zu viele Menschen könnten eine Pflicht für einzelne Berufsgrup­pen zudem als Einfallsto­r für eine generelle Impfpflich­t sehen – auch wenn die von allen Seiten ausgeschlo­ssen wird.

Trotzdem spielt die Forderung auf ein extrem drängendes Thema an: die Situation nach den Ferien. Schüler, Eltern und Lehrer wollen alles tun, um mit Präsenzunt­erricht ins Schuljahr zu starten. Die Regierung auch? Allein dass es keine Daten dazu gibt, wie hoch die Impfquote unter Lehrkräfte­n ist, kann zur Fußangel werden. Es muss zumindest das Ziel sein, diese Gruppe möglichst lückenlos – freiwillig – durchzuimp­fen. Vielleicht mithilfe mobiler Impfteams an Schulen. Zumindest könnte das diejenigen erreichen, die noch nicht selbst den Weg zum Impfarzt gefunden haben. Wenn nicht in den Ferien, dann in größeren Aktionen zum Schulstart im August. Mit Werbung allein wird die Herdenimmu­nität nie erreicht.

BERICHT RUF NACH IMPFPFLICH­T FÜR LEHRKRÄFTE, TITELSEITE

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