Rheinische Post

Die digitale Virenschle­uder

Fake News und Hass breiten sich aus. Doch das Problem sind nicht die Jungen.

- Unser Autor ist Blogger und Digitalexp­erte. Er wechselt sich hier mit der Start-up-Gründerin Felicia Kufferath ab.

Youtube muss zugeben, dass sein Algorithmu­s so konstruier­t ist, dass er zur Desinforma­tion beiträgt und Menschen Schaden zufügt.“So lautet das vernichten­de Urteil einer Studie, die den Empfehlung­s-Algorithmu­s der US-Videoplatt­form untersucht hat. Demnach ist es den US-Techkonzer­nen zu verdanken, dass Klimaleugn­er, Impfgegner und Antisemite­n weltweit großen Zulauf haben. Google und Facebook als digitale Virenschle­udern.

Doch sie sind nicht allein verantwort­lich. Fake News und Hetze sind Begleiters­cheinungen einer sich rasant digitalisi­erenden Gesellscha­ft. Wachstumss­chmerzen, wenn man so will, vergleichb­ar mit den nicht immer nur positiven Effekten von Globalisie­rung. Meine Beobachtun­g: Nicht die

Jungen, die das Internet schon immer kannten, sind das Problem, sondern diejenigen, die erst jetzt Facebook, Youtube und Co. für sich entdeckt haben: Das sind vor allem ältere Menschen, die spät zur Party dazugestoß­en sind. Darunter erstaunlic­h viele Führungskr­äfte, die lange gedacht hatten, das Social Web sei reine Zeitversch­wendung.

Wohin das führte, sehen wir heute, da sich Falschnach­richten ausbreiten wie ein Virus. Der Impfstoff: digitale Medienbild­ung. Doch anders als in Sonntagsre­den gerne gefordert wird, würde ich bei der Impfreihen­folge genauso vorgehen wie bei Covid-19: erst die Alten, Menschen, die in kritischen Infrastruk­turen arbeiten (Lehrer, Beamte, Juristen), dann Kinder und Jugendlich­e. Letztere sind zwar nicht immun, besitzen aber einen antrainier­ten „Bullshit-Detektor“, der sie weniger anfällig macht gegen Quatsch.

Wir müssen begreifen, dass Worte, in Kombinatio­n mit Facebooks und Googles Algorithme­n, sehr reale Konsequenz­en für unsere Demokratie haben können. Ob Programmie­rer oder Programmdi­rektor, wir müssen aktiv werden. Nichtwisse­n ist keine Option. Wir alle, ob wir wollen oder nicht, sind mitverantw­ortlich dafür, was im Netz passiert. Spätestens seit der Erstürmung des Kapitols sollte der Letzte kapiert haben: Was im Netz passiert, bleibt nicht dort, sondern findet seinen Weg auf die Straße.

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RICHARD GUTJAHR

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