Der Wahlkampf hinterlässt Spuren
Im ARD-Sommerinterview mit Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet geht es um harte Auseinandersetzungen und schwere Themen.
BERLIN Eine leichte Brise weht durch das Berliner Regierungsviertel, als Armin Laschet sich am Sonntagabend im ARD-Sommerinterview den Fragen von Moderatorin Tina Hassel stellt. 27 Grad, Wind aus Nordost – eigentlich optimale Bedingungen. Doch locker und unbeschwert wirkt der Unions-Kanzlerkandidat und nordrhein-westfälische Ministerpräsident an diesem Abend nicht. Er hat die Stirn in tiefe Falten gelegt, stützt sich schwer auf der Sessellehne ab, muss zwischendrin husten. Dieser Wahlkampf verlangt denjenigen, die Angela Merkel im Kanzleramt beerben wollen, viel ab.
Laschets Konkurrentin, Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, bekommt das derzeit knallhart zu spüren – die Kritik wegen ihres neuen Buches reißt nicht ab. Aber auch der CDU-Chef hat fordernde Wochen und Monate hinter sich. Im Kampf gegen den CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder um die Kanzlerkandidatur seien es „anspruchsvolle zehn Tage“gewesen, räumt Laschet ein: „Es wäre anders schöner gewesen.“Knappe drei Monate liegt dieses Duell zurück. Der Aachener hat es für sich entschieden und einmal mehr den Eindruck bestätigt, von vielen unterschätzt zu werden. Viele hätten sich bei ihm „verkalkuliert“in den zurückliegenden Jahren, sagt er.
Für den Wahlkämpfer Laschet hat die Arbeit gerade erst angefangen. „Die eigentliche Auseinandersetzung geht ja darum: Welche Richtung nimmt das Land?“, sagt der Kanzlerkandidat. Hinter ihm in der Sonne liegt das prächtige Reichstagsgebäude, eine Deutschlandflagge weht im Wind. Es wird auf jeden
Fall eine historische Bundestagswahl – erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik tritt keine amtierende Kanzlerin, kein amtierender Kanzler zur Wiederwahl an. Die 16 Merkel-Jahre seien von „vier großen Weltkrisen“geprägt gewesen, resümiert Laschet – die Finanzkrise, die Euroschuldenkrise, die Flüchtlingskrise, jetzt die Corona-Pandemie. Da erwarte er schon einen „engagierten Wahlkampf“. An diesem Abend scheint durch, dass man bereit sein muss, dafür persönliche Härten im Kauf zu nehmen. Das hinterlässt Spuren.
Auch die Themen sind keine leichte Kost. So geht es etwa um den Umstieg zu einer klimaneutralen Landwirtschaft. Per Video zugeschaltet ist ein konventioneller Landwirt aus Sachsen-Anhalt, der der CDU Verzagtheit beim klimafreundlichen Umsteuern in den zurückliegenden Jahren vorhält. Laschet versucht es mit Diplomatie. Man dürfe die Bio-Landwirtschaft nicht gegen die konventionelle Landwirtschaft ausspielen, sagt er: „Perspektivisch werden Maßnahmen, die die Landwirte erbringen, auch finanziell entschädigt.“Damit bleibt der CDU-Kanzlerkandidat unverfänglich und denkbar vage.
Dass die Union in ihrem Wahlprogramm beim Klimaschutz insgesamt zu vage bleibe und konkrete Schritte hin zur Klimaneutralität bis 2045 vermissen lasse, will Laschet nicht auf sich sitzen lassen. Das Bekenntnis zur Klimaneutralität bis 2045 sei eine „sehr konkrete Aussage“. Auch der bereits beschlossene Kohleausstieg reduziere „Jahr für Jahr CO2“, sagt er. Beim CO2-Preis lässt die CDU konkrete Zeitachsen und Preishöhen in ihrem Wahlprogramm tatsächlich offen – und auch im Sommerinterview will Laschet sich nicht festlegen. Der Entwicklung der CO2-Preise will er komplett dem Markt überlassen.
Konkreter wird es bei den Heizkosten. Diese hatten zuletzt zum Zerwürfnis zwischen Union und SPD im Bundestag geführt. Denn die Union hatte einen ausgehandelten Kompromiss, der eine 50:50-Aufteilung der CO2-Mehrkosten zwischen Mietern und Vermietern vorgesehen hatte, platzen lassen. Nun müssen die Mieter die Mehrkosten allein schultern. „Die jetzige Lösung, dass der Vermieter quasi gar nichts leistet, wird keinen Bestand haben“, kündigte Laschet an. Die Union ist damit in der Bringschuld.
Es geht an diesem Abend aber nicht nur um Inhalte, sondern auch um das Personal. Und hier hat die CDU einige Fragen zu klären. Denn Laschet hat eine paritätische
Besetzung im künftigen Kabinett versprochen. Doch da sind Jens Spahn, Ralph Brinkhaus, Friedrich Merz, Norbert Röttgen, Carsten Linnemann – allesamt katholische Männer aus Nordrhein-Westfalen. Was er mit denen machen werde, will Hassel wissen. „Die werden alle eine Funktion finden, aber das Kabinett wird paritätisch“, antwortet der Kanzlerkandidat. Das Kabinett werde alle Bundesländer sowie Ost und West widerspiegeln. „Insofern werden die nicht alle Minister.“
Laschet zeigt sich auf jeden Fall entschlossen, der nächste Bundeskanzler zu werden. Und überzeugt davon, dass er auch ein guter Kanzler wäre, „weil ich die Erfahrung aus einem großen Industrieland mitbringe und alles tun will, dass wir Industrieland bleiben, aber klimaneutral“. Über eine Niederlage am 26. September will er nicht sprechen. Nur so viel: Auch wenn er die Wahl verlieren würde, werde er nach Berlin wechseln. An der Berliner Brise findet er offenbar Gefallen.