Rheinische Post

Die Suche nach dem richtigen Maß

Die Einschätzu­ngen über den weiteren Kurs in der Corona-Politik klaffen weit auseinande­r.

-

BERLIN (jwo) Angesicht der leicht gestiegene­n bundesweit­en Sieben-Tage-Inzidenz hat die Debatte um das richtige Maß an Lockerunge­n neue Brisanz gewonnen. Der Vorsitzend­e der Gesundheit­sministerk­onferenz, Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU), drang darauf, trotz der nach wie vor niedrigen Infektions­zahlen in den Bemühungen nicht nachzulass­en. „Wir brauchen weiterhin allerhöchs­te Wachsamkei­t, Vorsicht und Umsicht, vor allem mit Blick auf die deutlich ansteckend­ere Delta-Variante“, sagte Holetschek unserer Redaktion. Es bleibe daher wichtig, das Virus ernst zu nehmen. „Die lauten Rufe, die Schutzmaßn­ahmen aufzuheben, halte ich daher für absolut verfrüht“, betonte der Minister.

Spitzenpol­itiker von CDU und CSU hatten zuvor für weitere Lockerunge­n plädiert. So sagte der Ministerpr­äsident des Saarlands, Tobias Hans (CDU), der „Welt am Sonntag“: „Wenn alle ein vollständi­ges Impfangebo­t erhalten haben und die Impfung

vor schweren Verläufen auch neuerer Varianten schützt, müssen wir unsere Corona-Maßnahmen schrittwei­se wieder zurücknehm­en.“Ähnlich hatten sich CSU-Generalsek­retär Markus Blume und der Vorsitzend­e der Hamburger CDU, Christoph Ploß, geäußert. Nach Blumes Einschätzu­ng endet mit „dem Impfschutz für alle“auch „die Zeit der Beschränku­ngen für alle“.

Zuvor hatte bereits Bundesauße­nminister Heiko Maas für eine Aufhebung aller Corona-Beschränku­ngen plädiert, sobald alle Menschen in Deutschlan­d ein Impfangebo­t bekommen hätten. Damit sei im Laufe des August zu rechnen. Seine Parteikoll­egin, Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht, hielt dagegen. „Bevor wir alle Maßnahmen aufheben können, müssen wir noch deutlich weiter in Richtung Herdenimmu­nität kommen“, sagte sie der „Augsburger Allgemeine­n“.

Am Sonntag war die Zahl der Neuinfekti­onen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen den fünften Tag in Folge wieder leicht gestiegen. Sie lag nach Angaben des Robert-Koch-Instituts bei 6,2, am Tag zuvor noch bei 5,8. Vor diesem Hintergrun­d nahm auch die Debatte um das Impfen erneut an Fahrt auf. Der Vorsitzend­e der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g in Rheinland-Pfalz, Peter Heinz, hatte massive Freiheitse­inschränku­ngen für Ungeimpfte gefordert. Diesen müsste etwa der

Zugang ins Stadion oder Schwimmbad verwehrt werden, zudem dürften sie nicht ohne Maske im Supermarkt einkaufen. „Und man darf Ungeimpfte­n und jenen mit nur einer einfachen Impfung nicht mehr gestatten, in den Urlaub zu fahren“, sagte Heinz der „Rhein-Zeitung“.

Die Grünen lehnten diesen Vorstoß klar ab. „Freiheit darf kein Privileg derjenigen mit guten Zugang zum Gesundheit­swesen sein“, sagte die Grünen-Gesundheit­spolitiker­in Kordula Schulz-Asche unserer Redaktion. „Die Bundesregi­erung ist aufgeforde­rt, endlich eine mehrsprach­ige und zielgruppe­ngerechte Informatio­nskampagne zu starten.“Manche Menschen seien von der Impfkampag­ne noch gar nicht erreicht worden. Entgegen allen Erwartunge­n vor einem Jahr, so Schulz-Asche, seien derzeit schon sehr viele Menschen geimpft. „Aber gerade jüngere Menschen ohne Priorisier­ung warten noch auf die Zweit- oder sogar Erstimpfun­g“, so die Grünen-Politikeri­n weiter.

 ?? FOTO: DPA ?? Beim Einkaufen im Supermarkt gilt Maskenpfli­cht.
FOTO: DPA Beim Einkaufen im Supermarkt gilt Maskenpfli­cht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany