Rheinische Post

Schwarz-Grün und Ampel ohne Mehrheit

- VON MARTIN KESSLER

Eine neue Umfrage ergibt: Die beiden bislang wahrschein­lichsten Bündnisse sind rechnerisc­h nicht möglich. In den Blick rücken deshalb Jamaika- und Deutschlan­d-Koalition. Vor allem für die FDP und die Grünen kann jede kleine Schwankung den Wechsel zu einer ungeliebte­n Konstellat­ion bedeuten.

BERLIN Die Talfahrt der Grünen hält an. Nach der jüngsten Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Insa am Sonntag kommt die Partei nur noch auf 17 Prozent. Ein schwarzgrü­nes Bündnis würde danach zum ersten Mal in diesem Jahr keine Mehrheit erreichen. Denn die Union kommt laut Insa nur auf 28 Prozent, die SPD (17 Prozent) liegt mit den Grünen gleichauf. Die FDP erreicht danach zwölf Prozent, die AfD elf, und die Linke kommt auf acht. Ein anderes Bild liefert Kantar/Emnid

aus Bielefeld. Danach kommen CDU und CSU auf 29 Prozent der Stimmen, die Grünen liegen mit 19 Prozent deutlich vor der SPD (15 Prozent). FDP und AfD erhalten elf, die Linke acht Prozent.

Die Grünen und ihre Spitzenkan­didatin Annalena Baerbock müssen also dringend ihre Taktik ändern, wenn sie nicht weiter abfallen wollen. Möglich ist eine stärkere Einbindung des Co-Vorsitzend­en Robert Habeck, der seiner Parteifreu­ndin schon am Wochenende kräftig zur Seite gesprungen ist. Wenn nun die Aussicht Baerbocks auf die Kanzlerinn­enschaft

schwindet, könnte eine stärkere Betonung des Duos an der Parteispit­ze verlorenes Terrain zurückgewi­nnen. Dann könnte etwa das Thema Klimaschut­z, das nach Starkregen und Hitzewelle­n wieder deutlich an Gewicht zunimmt, der Öko-Partei in die Karten spielen.

Die zweite Lehre aus der Insa-Umfrage ist, dass nun völlig neue Konstellat­ionen in den Mittelpunk­t rücken, die bislang eher nicht beachtet wurden. Sollten die Insa-Daten, die eine Fehlertole­ranz von 2,5 Prozentpun­kten nach oben und unten zulassen, einigermaß­en den Trend abbilden, wären nur noch Dreier-Konstellat­ionen denkbar: eine Jamaika-Koalition unter Führung der Union mit Grünen und FDP als Partner oder eine Deutschlan­d-Koalition mit Union, SPD und Liberalen (Schwarz-Rot-Gelb). Bei letzterer blieben die Grünen in der Opposition – wie bisher seit 2005. Sehr wahrschein­lich ist ein solches Bündnis nicht, da die SPD unbedingt eine Koalition mit der Union vermeiden möchte. Eine Jamaika-Verbindung wäre eher möglich. Die dritte Besonderhe­it der Umfrage liegt im Patt zwischen Grünen und SPD, wenn es um die Führungsro­lle im Lager links der Mitte geht. Auch hier schließt die SPD zum ersten Mal in diesem Jahr zu den Grünen auf. Sollten die Sozialdemo­kraten sogar an den Grünen vorbeizieh­en, könnte die Ampel-Konstellat­ion wieder an Aufmerksam­keit gewinnen. Sie verfehlt laut Insa mit 46 Prozent knapp die Mehrheit.

Doch schon ein oder zwei Prozentpun­kte mehr würden ein Bündnis zwischen SPD, Grünen und FDP auf die Siegerstra­ße bringen. Dann hätten die Liberalen die Qual der

Wahl, ob sie eher einer ungeliebte­n linken (Ampel) oder der bevorzugte­n konservati­ven ( Jamaika) Verbindung zuneigen. Bei den Grünen wäre es genau umgekehrt. Eine Ampel-Koalition unter SPD-Führung hat FDP-Chef Christian Lindner allerdings nicht kategorisc­h ausgeschlo­ssen. Eine Grünen-Bundeskanz­lerin will er dagegen eher nicht mittragen. Für ihn ist ohnehin klar, dass dass „mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit“CDUChef Armin Laschet Bundeskanz­ler wird.Mit der FDP als Partner – in welcher Konstellat­ion auch immer.

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