Schwarz-Grün und Ampel ohne Mehrheit
Eine neue Umfrage ergibt: Die beiden bislang wahrscheinlichsten Bündnisse sind rechnerisch nicht möglich. In den Blick rücken deshalb Jamaika- und Deutschland-Koalition. Vor allem für die FDP und die Grünen kann jede kleine Schwankung den Wechsel zu einer ungeliebten Konstellation bedeuten.
BERLIN Die Talfahrt der Grünen hält an. Nach der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa am Sonntag kommt die Partei nur noch auf 17 Prozent. Ein schwarzgrünes Bündnis würde danach zum ersten Mal in diesem Jahr keine Mehrheit erreichen. Denn die Union kommt laut Insa nur auf 28 Prozent, die SPD (17 Prozent) liegt mit den Grünen gleichauf. Die FDP erreicht danach zwölf Prozent, die AfD elf, und die Linke kommt auf acht. Ein anderes Bild liefert Kantar/Emnid
aus Bielefeld. Danach kommen CDU und CSU auf 29 Prozent der Stimmen, die Grünen liegen mit 19 Prozent deutlich vor der SPD (15 Prozent). FDP und AfD erhalten elf, die Linke acht Prozent.
Die Grünen und ihre Spitzenkandidatin Annalena Baerbock müssen also dringend ihre Taktik ändern, wenn sie nicht weiter abfallen wollen. Möglich ist eine stärkere Einbindung des Co-Vorsitzenden Robert Habeck, der seiner Parteifreundin schon am Wochenende kräftig zur Seite gesprungen ist. Wenn nun die Aussicht Baerbocks auf die Kanzlerinnenschaft
schwindet, könnte eine stärkere Betonung des Duos an der Parteispitze verlorenes Terrain zurückgewinnen. Dann könnte etwa das Thema Klimaschutz, das nach Starkregen und Hitzewellen wieder deutlich an Gewicht zunimmt, der Öko-Partei in die Karten spielen.
Die zweite Lehre aus der Insa-Umfrage ist, dass nun völlig neue Konstellationen in den Mittelpunkt rücken, die bislang eher nicht beachtet wurden. Sollten die Insa-Daten, die eine Fehlertoleranz von 2,5 Prozentpunkten nach oben und unten zulassen, einigermaßen den Trend abbilden, wären nur noch Dreier-Konstellationen denkbar: eine Jamaika-Koalition unter Führung der Union mit Grünen und FDP als Partner oder eine Deutschland-Koalition mit Union, SPD und Liberalen (Schwarz-Rot-Gelb). Bei letzterer blieben die Grünen in der Opposition – wie bisher seit 2005. Sehr wahrscheinlich ist ein solches Bündnis nicht, da die SPD unbedingt eine Koalition mit der Union vermeiden möchte. Eine Jamaika-Verbindung wäre eher möglich. Die dritte Besonderheit der Umfrage liegt im Patt zwischen Grünen und SPD, wenn es um die Führungsrolle im Lager links der Mitte geht. Auch hier schließt die SPD zum ersten Mal in diesem Jahr zu den Grünen auf. Sollten die Sozialdemokraten sogar an den Grünen vorbeiziehen, könnte die Ampel-Konstellation wieder an Aufmerksamkeit gewinnen. Sie verfehlt laut Insa mit 46 Prozent knapp die Mehrheit.
Doch schon ein oder zwei Prozentpunkte mehr würden ein Bündnis zwischen SPD, Grünen und FDP auf die Siegerstraße bringen. Dann hätten die Liberalen die Qual der
Wahl, ob sie eher einer ungeliebten linken (Ampel) oder der bevorzugten konservativen ( Jamaika) Verbindung zuneigen. Bei den Grünen wäre es genau umgekehrt. Eine Ampel-Koalition unter SPD-Führung hat FDP-Chef Christian Lindner allerdings nicht kategorisch ausgeschlossen. Eine Grünen-Bundeskanzlerin will er dagegen eher nicht mittragen. Für ihn ist ohnehin klar, dass dass „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“CDUChef Armin Laschet Bundeskanzler wird.Mit der FDP als Partner – in welcher Konstellation auch immer.