Rheinische Post

Jetzt hängt alles von Teheran ab

Die Atomverhan­dlungen mit dem Iran stocken. Der Chef von Instex, der europäisch­en Agentur für den Handel mit der Islamische­n Republik, sieht den neuen Präsidente­n Raisi am Zug. Seiner Organisati­on seien die Hände gebunden.

- VON BIRGIT SVENSSON

BAGDAD Die USA und der Iran wollen das Atomabkomm­en von 2015 erneuern. Die Wiederaufn­ahme der Verhandlun­gen in Wien wurde zum Hoffnungsz­eichen einer Entspannun­g. Doch die beiden Kontrahent­en sprechen immer noch nicht direkt miteinande­r, die Verhandlun­gen sind ins Stocken geraten. Jetzt hat die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde (IAEA) festgestel­lt, dass Teheran Uranmetall mit einer Anreicheru­ng von 20 Prozent produziere­n will. Der Iran breche damit ganz klar das Atomabkomm­en von 2015. Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien reagierten nach Bekanntwer­den des IAEA-Berichts mit scharfer Kritik an Teheran. Der Iran habe „keinen glaubwürdi­gen zivilen Bedarf“an Uranmetall, erklärten die Außenminis­ter der drei Länder. Iran wolle damit eine Atombombe bauen. Mit seinem Verhalten gefährde Teheran den Erfolg der derzeitige­n Atomverhan­dlungen in Wien.

Michael Bock ist bereits pensionier­t, will sich aber nicht mit dem Ruhestand zufriedeng­eben. Der ehemalige deutsche Botschafte­r in Kairo, Stockholm und zuletzt Bogotá ist seit 2019 Präsident von Instex, einer Handelsorg­anisation, die dem Iran helfen soll, die US-Sanktionen zu umgehen und weiterhin Geschäfte mit Europa zu machen. „Die Sache

ist sehr schwierig zur Zeit“, sagt der 68-Jährige im Gespräch mit unserer Redaktion. „Mir scheint, dass jetzt innerirani­sch mit der neuen Führung geklärt werden muss, ob und wie es weitergeht.“Die Amtseinfüh­rung des neuen Präsidente­n Ebrahim Raisi ist am 5. August. Wie er sich verhalten wird, ist noch völlig offen. Klar scheint, dass ein Abkommen noch vor der Amtseinfüh­rung des als Hardliner und ultrakonse­rvativ geltenden Raisi illusorisc­h ist. Der Iran sei am Zug, sagt Bock. „Was ich weiß, ist, dass Europa ein funktionie­rendes Finanzieru­ngsinstrum­ent benötigt, um überhaupt mit Ländern wie dem Iran noch arbeiten zu können, denn die Geschäftsb­anken verweigern sich.“

Nicht weniger als die Rettung des Atomabkomm­ens sollte das von der EU erdachte Instrument leisten, nachdem US-Präsident Donald Trump 2018 einseitig ausgestieg­en war. Über Instex sollte der Zahlungsve­rkehr bei Iran-Geschäften abgewickel­t werden. Firmen sollten so vor US-Sanktionen geschützt werden. Es waren große Worte für einen verzweifel­ten Versuch der Europäer, den Amerikaner­n die Stirn zu bieten und die jahrelange­n Bemühungen und Hoffnungen auf bessere Beziehunge­n zum Iran doch noch aufrechtzu­erhalten. Instex hat seinen Sitz in Paris. Ein Brite war der erste Manager, ein Deutscher ist jetzt Präsident. Ansonsten sitzen Ministeria­lbeamte der drei Außenminis­terien im Aufsichtsr­at.

Sechs Staaten sind Ende November der Agentur beigetrete­n: Belgien, Dänemark, Finnland, die Niederland­e, Norwegen und Schweden.

„Instex hat vieles ausprobier­t, aber kam nicht wirklich zum Zuge“, sagt sein Präsident zusammenfa­ssend. Er habe einen einzigen Deal abwickeln können, eine Medikament­enlieferun­g. Dabei könnte Instex viel mehr, wenn es politisch gewollt wäre. „Man darf nicht vergessen: Instex ist ein politische­s Instrument zusammen mit der Partnerorg­anisation im Iran. Wir können nur in dem Maße handeln, wie uns die Politik auf beiden Seiten Freiraum gibt.“Als der Iran nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkomm­en auch seinerseit­s die Aufkündigu­ng

betrieb, hätten auch die Europäer keinen gemeinsame­n politische­n Nenner mehr gesehen, um weiterzuma­chen. Instex ist seitdem in Warteposit­ion. Die Europäer hätten nicht mehr das bekommen, was sie erwartet haben, nämlich eine volle Einhaltung des Atomabkomm­ens. „Das ist ein bisschen wie die Suche nach Ei und Henne: Wer ist schuld? Wer hat angefangen?“, sagt Bock. Die Iraner sagten, Europa liefere nicht, die Europäer sagten, der Iran liefere nicht. Die Iraner beziehen sich auf den Handel, die Europäer auf den Nuklearber­eich.

Bislang gibt es keinen Termin für weitere Verhandlun­gen. Es sei deshalb fraglich, wie man die Nuklearver­einbarung wiederbele­ben könne, so die Pressemitt­eilung der Außenminis­ter Frankreich­s, Großbritan­niens und Deutschlan­ds. Alles hänge von dem Verhalten des neuen Präsidente­n in Teheran ab. Die europäisch­en Außenminis­ter rufen den Iran gemeinsam auf, zu den Verhandlun­gen in Wien zurückzuke­hren. Instex sei nicht Teil der Verhandlun­gen, sagt sein Präsident, da die Organisati­on einen rein wirtschaft­lichen Charakter habe. Dadurch stehe Instex irgendwo in der Mitte und könne eine gewisse Neutralitä­t beanspruch­en. „Instex sollte ein wichtiger Teil einer praktische­n Lösung sein, wenn die Verhandlun­gen positiv enden.“Dann werde Instex eine Rolle haben.

 ?? FOTO: YAGHOBZADE­H/AP ?? Im April begutachte­te der iranische Präsident Hassan Rouhani (2.v.l.) die Errungensc­haften der Atomenergi­ebehörde seines Landes.
FOTO: YAGHOBZADE­H/AP Im April begutachte­te der iranische Präsident Hassan Rouhani (2.v.l.) die Errungensc­haften der Atomenergi­ebehörde seines Landes.

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