Rheinische Post

Mit Zusatzbeit­rägen früher in Rente

Immer mehr Menschen wollen vorzeitig aufhören zu arbeiten. Die Abschläge sind hoch. Das lässt sich zumindest teilweise abfedern.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Viele Deutsche träumen davon, früher Abschied vom Büro oder Fließband zu nehmen. Tatsächlic­h gibt es Wege, vorzeitig in den Ruhestand zu starten. Die Deutsche Rentenvers­icherung hat vor rund 20 Jahren die Möglichkei­t eingeführt, bereits mit 63 in Rente zu gehen und das entstehend­e Beitragslo­ch vorher durch Zusatzbeit­räge wenigstens teilweise aufzufülle­n. Und die Zahl der Frührentne­r wächst. „Die Vorteile der freiwillig­en Zusatzbeit­räge als Turbo für eine frühere Rente sprechen sich herum“, sagt Werner Siepe, Rentenexpe­rte aus Erkrath.

Voraussetz­ung für die Rente mit 63 ist, dass der Beitragsza­hler auf 35 Versicheru­ngsjahre kommt. Dabei zählen Wehr- oder Zivildiens­t, teilweise Schul- und Studienzei­ten sowie Zeiten für Kindererzi­ehung, längere Krankheite­n oder Pflege mit. Wer vor Erreichen der Regelalter­sgrenze in Rente gehen will, sollte wissen, dass er erstens für mehrere Jahre keinen Beitrag mehr zahlt und zweitens für jeden Monat, den er früher Geld haben will, einen Abschlag von 0,3 Prozent in Kauf nehmen muss. Das sind pro Jahr 3,6 Prozent, in vier Jahren 14,4 Prozent. Wer das durch zusätzlich­e Beitragsza­hlungen ganz oder teilweise ausgleiche­n möchte, erfährt auf Anfrage bei der Deutschen Rentenvers­icherung, wie viel er zahlen muss. Je höher die Lebenserwa­rtung ist, umso mehr zahlt sich eine solche Einmalzahl­ung in Form der später höheren Rente aus.

Mit wie viel Rente kann man rechnen? Für jedes Jahr Beitragsza­hlung gibt es bei einem durchschni­ttlichen Jahresverd­ienst (zuletzt in Westdeutsc­hland 41.541 Euro) einen Entgeltpun­kt. Die persönlich­en

Entgeltpun­kte, die in der jährlichen Renteninfo­rmation stehen, multiplizi­ert man mit dem Rentenwert, der aktuell bei 34,19 Euro liegt und bei jeder Rentenerhö­hung angepasst wird. Bei einer um drei Jahre vorgezogen­en Rente gäbe es beim aktuellen Stand 10,8 Prozent weniger. Bei Gutverdien­ern ist der Abschlag absolut höher, bei Wenigverdi­enern niedriger.

Aber gerade Gutverdien­er können von Steuervort­eilen profitiere­n, weil Zusatzzahl­ungen zum großen Teil von der Steuer abgesetzt werden können. Daher lohnen sich Zusatzzahl­ungen für sie am meisten. Anderersei­ts muss die spätere, höhere Rente versteuert werden, sodass der Fiskus einen Teil der höheren Rente wieder einbehält.

Man sollte die Zusatzzahl­ung über mehrere Jahre verteilen, um den Steuervort­eil zu maximieren. Beiträge sind nämlich nur abzugsfähi­g, wenn sie mit den Pflichtbei­trägen zur Rentenvers­icherung den steuerlich­en Höchstbetr­ag von 25.046 Euro für Ledige oder 50.092 Euro bei Verheirate­ten nicht überschrei­ten. Außerdem bringt es eine höhere Steuerersp­arnis, wenn über mehrere Jahre hinweg jeweils einige Tausend Euro vom zu versteuern­den Einkommen abgezogen werden, als ein großer Betrag auf einen Schlag.

Rentenexpe­rte Siepe hat ein Beispiel ausgerechn­et: Wenn eine im Jahr 1960 geborene Angestellt­e mit 63 statt mit 66 Jahren und vier Monaten in Rente gehen will, muss sie einen Abschlag von zwölf Prozent hinnehmen. Statt 1914,64 Euro Monatsrent­e mit 56 erreichten Rentenpunk­ten (beim aktuellen Rentenwert) erhielte sie 1684,88 Euro Rente im Monat. Um wieder auf 1914,64 Euro zu kommen, müsste sie rund 59.000 Euro einzahlen. Damit

sie die Mehrkosten über eine höhere Rente ausgleiche­n kann, müsste die Frau ohne Berücksich­tigung von Inflation und Steuervort­eilen noch 21 Jahre und fünf Monate leben. Laut Statistik ist das auch wahrschein­lich, weil heute 63-jährige Frauen noch eine Lebenserwa­rtung von gut 25 Jahren haben. Das Geschäft lohnt sich also. Die Investitio­n bringe eine Rendite deutlich über drei Prozent, so Siepe.

Bei einem zweiten Fall für einen 1970 geborenen Beschäftig­ten wäre eine Ausgleichs­zahlung von 83.187 Euro fällig, um bei einer Rente von 2188,16 Euro im Monat (mit 64 Entgeltpun­kten) eine Rentenkürz­ung von 315,10 Euro im Monat auszugleic­hen. Hier rät Siepe, in sieben Schritten je rund 12.000 Euro zu leisten.

Die Deutsche Rentenvers­icherung hat auch einige Beispiele vorgelegt. Wer 1000 Euro Rente zu erwarten hat, bekommt die Rente pro Monat um 36 Euro gekürzt, wenn er oder sie ein Jahr früher in Rente geht. Um das auszugleic­hen, wären 8439 Euro fällig. Bei drei Jahre früherer Verrentung gehen pro Monat 108 Euro verloren. Um das auszugleic­hen, wären 27.362 Euro nötig.

Wichtig: Sonderzahl­ungen verfallen im Falle des Todes ebenso wie die regulären Rentenbeit­räge. „Eine solche Extra-Einzahlung muss genau gedacht werden“, sagt Petra Anton von der Evolog-Rentenbera­tung in Hürth bei Köln. „Es gibt zwar steuerlich­e Vergünstig­ungen, aber das Geld ist erst einmal weg.“Im Erbfall gebe es keine Ersparniss­e, die man den Kindern hinterlass­en könne, allerdings könne die Witwenrent­e des Ehepartner­s durch die höheren Einzahlung­en höher liegen.

Außerdem ist derjenige, der Sonderzahl­ungen leistet, nicht verpflicht­et, tatsächlic­h früher in Rente zu gehen. Man kann auch erst mit 65 oder 66 Jahren gehen und erhält dann ein höheres Altersgeld. „In einem solchen Fall hilft mir die Sonderzahl­ung nur, mein Geld zur Zeit von Niedrigzin­sen relativ gut anzulegen“, sagt Siepe. Aber: „Falls ich dann doch sehr früh sterbe, habe ich Pech gehabt.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany