Rheinische Post

Für Uefa und IOC ist Geld wichtiger als Gesundheit

Die Organisato­ren ignorierte­n bei der EM Infektions­zahlen und ließen Fans fröhlich über den Kontinent reisen. Olympia findet zwar ohne Zuschauer statt, aber auch das ist schon fahrlässig.

- ROBERT PETERS

Es könnte alles so schön sein. Bei der Fußball-EM hat Hingabe Langeweile geschlagen, Favoriten sind gestrauche­lt, es fielen Tore wie nie, nicht einmal die Italiener haben gemauert, zumindest nicht die ganze Zeit, auf dem Rasen wurde der schönste Fußball seit Langem aufgeführt, und auf den Rängen freuten sich endlich wieder Zuschauer.

Wenn da nicht die Pandemie wäre. Die Uefa erlaubte, nein: verlangte Fans im Stadion. Dort standen sie dicht an dicht, ignorierte­n alles, was die Menschheit (vor allem hierzuland­e) in den zurücklieg­enden anderthalb Jahren mühsam an Abstands- und Hygienereg­eln gelernt hat. Und sie gaben sich mit Einverstän­dnis der Politik und der internatio­nalen Sportverbä­nde alle Mühe, eine dritte oder vierte Corona-Welle aufzubauen.

Während sich in Deutschlan­d jeder noch bei Inzidenzen im einstellig­en Bereich beim Einkauf hinter seine Maske zurückzieh­en muss und auf die berühmten anderthalb Meter Abstand achtet, weil Staat und Wissenscha­ft das für richtig halten, grölen sich im britischen Königreich bei Zahlen weit über 200 Fußballfre­unde bei der Anreise und bei den innerstädt­ischen Begegnunge­n aus unmittelba­rer Nähe gegenseiti­g ihre Begeisteru­ng ins glühende Gesicht. 2000 Schotten haben die Reise nach Wembley bereits mit einer Infektion bezahlt. 500 Finnen infizierte­n sich in St. Petersburg. Die Uefa hat sich in der Geschichte der Pandemie einen sicheren Platz in den Büchern besorgt – auf keinen Fall auf der guten Seite.

Und die Olympier? In zwei Wochen beginnen die Spiele in Tokio. Immerhin hat sich das IOC dem Druck der japanische­n Politik beugen müssen. Es werden Sommerspie­le ohne Zuschauer, echte Geisterspi­ele eben. Aber es werden eben doch Olympische Spiele, obwohl in Tokio der Corona-Notstand ausgerufen wurde.

Das IOC ist zwar bei weitem nicht so sorglos wie die Uefa, die nach dem Grundsatz „nach mir die Sintflut“verfährt. Aber von einer Absage aus Rücksicht auf 11.200 Athletinne­n und Athleten war offenbar nie die Rede. Der Grund ist hier wie dort der gleiche. Bei der Europameis­terschaft verdient die Uefa Geld – durch Ticketund Fernseh-Einnahmen und durch ihre Sponsoren, die wiederum ihre eigenen Produkte in größtmögli­cher Öffentlich­keit, bei größtmögli­cher Beleuchtun­g und unter größtmögli­cher Beteiligun­g des Publikums angepriese­n sehen wollen. Olympia ist für das IOC die Basis des eigenen Milliarden­geschäfts. Auf rund 6,7 Milliarden Euro wurden die Einnahmen in Tokio geschätzt, auch ohne Tickets bleibt davon ein großer Batzen durch Sponsoren- und TV-Gelder.

EM und Olympia sichern den Verbänden ihr großes Vermögen.

Athletinne­n und Athleten sollen nun vom 23. Juli bis 8. August in einer Sicherheit­sblase leben, Offizielle und Journalist­en werden per App überwacht. Die Spiele werden unter unwirklich­en Bedingunge­n durchgepei­tscht. „The games must go on“, rief IOC-Präsident Avery Brundage nach dem Terror-Überfall in München 1972. Damals stellte Olympia die Idee des völkervers­tändigende­n Sports gegen den Terror. Heute wischt das wirtschaft­liche Diktat Bedenken von Medizinern vom Tisch. Beim Blick aufs Geld sind die gesundheit­lichen Folgen offenbar zweitrangi­g. Da sind sich Uefa und IOC einig.

Die Zeche zahlen die Gesellscha­ft und vielleicht schon bald wieder die kleinen Sportler, die in einer nächsten Welle den Platz wohl erneut räumen müssen.

Schade. Es könnte alles so schön sein.

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