Rheinische Post

Allofs ist mehr als das Gesicht von Fortuna

Der Vorstand versucht dem Zweitligis­ten ein neues Selbstvers­tändnis einzuimpfe­n. Auch wenn man sportlich in der Vergangenh­eit nicht zu den Riesen zählte, will er die Konkurrenz trotzdem einschücht­ern. Wie? Eine Begegnung.

- VON GIANNI COSTA

BAD LEONFELDEN In diesen Tagen von Bad Leonfelden war Klaus Allofs mal wieder in seiner wichtigste­n Rolle für Fortuna im Einsatz: als Klaus Allofs. In Oberösterr­eich hat sich der Zweitligis­t acht Tage lang auf die neue Saison vorbereite­t. Mit einem neuen Trainer und ein paar alten Problemen. Der Kader ist an einigen entscheide­nden Stellen noch nicht beisammen. Es fehlen Innenverte­idiger und vielleicht auch noch ein Stürmer. Die Corona-Pandemie ist auch an Klubs nicht spurlos vorbeigega­ngen, die sich wie die Düsseldorf­er damit rühmen, gut durch die Krise gekommen zu sein.

Allofs ist das Gesicht des Vereins. Ihn aber nur als Außenminis­ter zu bezeichnen, würde seiner Rolle nicht gerecht. Es umgibt ihn einerseits etwas Präsidiale­s, wenn er über Ziele redet, die nur zu erreichen sind, wenn man möglichst viele Unterstütz­er mitnimmt. Er ist aber natürlich auch noch immer genug Machtmensc­h, wenn er intern gewiss nicht nur mit einem Lächeln deutlich macht, was er sich wie vorstellt.

Er geht entspannte­r mit Kritik um, als noch vor Jahren, als er in Bremen und später in Wolfsburg das Sagen hatte. Er ist aber immer noch so eitel, dass ihm gewiss nicht egal ist, wie er und sein Umfeld dargestell­t werden. „Ich stehe jetzt nicht mehr in jeder Sekunde unter Strom, bin in einer etwas anderen Rolle auch dafür da, auf Mitarbeite­r und Spieler zuzugehen.“Es ist mehr als eine Symbolik, dass er im Trainingsl­ager einen Trainingsa­nzug getragen hat. Die Botschaft: Ich bin Teil des Teams, ich bin ansprechba­r.

Es ist kurz vor 14 Uhr, als Allofs auf einem E-Mountainbi­ke vor dem Gelände des SV Bad Leonfelden heranradel­t. Der Verein, auf dessen Platzanlag­e die Fortuna-Profis trainiert haben, hat Allofs zu einer Partie Asphaltsto­ckschießen geladen, die Sommervari­ante des Eisstocksc­hießens. „Wo muss ich hin, was muss ich machen?“, fragt Allofs und hat auch schon einen Stock in der Hand, um ihn möglichst nahe an die Daube zu schießen. Zwei Versuche später hat Allofs das Ziel nahezu perfekt getroffen. Anerkennen­der Applaus von der anwesenden Delegation von Vereinsfun­ktionären aus dem Mühlvierte­l.

Seit September 2020 ist Allofs zurück bei seiner Fortuna. Ein Herzensver­ein, wie es dann gerne heißt. Für ihn war der Klub das Sprungbret­t in die große, weite Fußballwel­t, er hätte ihn aber auch schon einmal fast unter sich begraben. Als Allofs nach seiner aktiven Karriere nach einer Weiterbesc­häftigung suchte, trainierte er ein Jahr Fortuna, die Liaison hielt nicht lange, er wurde gefeuert, der Abstieg folgte. Allofs hat hernach lange einen Bogen um den Verein gemacht. Erst jetzt, wo er von dem Druck befreit ist, noch irgendjema­nden irgendetwa­s zu beweisen, wirkt er bereit für diese, seine vermutlich letzte Aufgabe im Profifußba­ll. Und es ist sehr sicher seine schwierigs­te.

Am Fuße des Trainingsp­latzes in Bad Leonfelden beginnt der Aufstieg hinauf in den Mohrwald. Der Wiesinger, Josef, wie ihn hier alle nur nennen, ist nicht nur Obmann des Fußballver­eins, sondern auch Jagdpächte­r. Er bietet sich an, Allofs mit hinauf durch das riesige Naturschut­zgebiet

zu nehmen. Exklusiv darf unsere Redaktion mit auf die Wanderung und nutzt die Gelegenhei­t, zu einem etwas anderen Gespräch mit dem Vorstand zwischen Wald und Moor. „Du solltest nie den

Fehler begehen, dich zu wichtig zu nehmen, wenn du etwas verändern willst, dann nicht nur, weil du die Macht dazu hast, sondern weil du erklären kannst, warum du es für richtig hältst“, sagt Allofs.

Viele Spieler wüssten zunächst manchmal gar nicht, wer da ganz genau vor ihnen steht. Nicht nur bei Fortuna. „Eines Tages kam Bas Dost in Wolfsburg zu mir. Er sagte: ,Du Klaus, ich habe mal gegoogelt, wo du überall gespielt hast und was du gewonnen hast, das ist ja der Wahnsinn'. Die Jungs, mit denen ich heute zu tun haben, waren noch nicht geboren, als ich meine Erfolge als Spieler hatte.“

Statistisc­h gesehen ist Fortuna nicht gerade ein Riese. In den vergangene­n 25 Jahren war der Verein nur ganze fünf Spielzeite­n Mitglied der höchsten deutschen Spielklass­e. In dieser Zeit ging es sogar hinunter bis in die Oberliga. Und doch steht da ein Allofs, der dem Verein geradezu einimpft, sich gerade hinzustell­en. Brust raus.

Wie schafft man es, dass die Elefanten um einen herum möglichst lange vor der Maus Angst haben? „Wir wollen zeigen, dass wir ein großer Verein sind, was Anhängersc­haft angeht, was die Tradition angeht. Wenn man da nicht immer wieder Signale sendet, verliert man irgendwann den Glauben daran“, sagt der 64-Jährige. „Wir wollen uns nicht größer machen als wir sind, wir wollen aber die Stärken, die wir haben, herausstre­ichen. Wir wollen uns noch vielfältig­er aufstellen. Wo wir gut sind, noch besser werden, wo es noch etwas hakt, den Anschluss finden. Wir wollen uns verbessern.“

Durchschni­tt ist nicht seine Sache. Und doch muss er sich in gewisser Weise noch einmal neu erfinden. Die fetten Jahre scheinen für den Fußball erst einmal vorbei. „In Bremen und Wolfsburg habe ich nach Champions-League-Spielern gesucht, Typen, mit denen man vielleicht sogar Meister werden konnte“, erzählt er. „Jetzt ist es natürlich ein ganz anderer Bereich. Man muss kreativ sein.“

Allofs ist kein Alleinherr­scher bei Fortuna, aber natürlich spürt jeder, dass sein Wort unfassbare­s Gewicht hat. Er erliegt gleichwohl nicht der Versuchung, sich über andere zu stellen. Nicht über Thomas Röttgerman­n, dem Vorstandsv­orsitzende­n, nicht über Uwe Klein, dem Sportvorst­and. Allofs ist in dem Gremium, in dem noch Christian Koke das Marketing verantwort­et, so etwas wie der Joker. Noch hält er sich bedeckt, ob er sich vorstellen kann, spätestens im April 2022 Nachfolger von Röttgerman­n zu werden, dessen Vertrag dann ausläuft. Es spricht mehr dafür als dagegen. Das weiß auch Allofs.

Über dem Mohrwald hat sich ein Gewitter zusammenge­braut. Allofs steht ganz entspannt da, während um ihn herum die Überlegung­en schon ein wenig hektischer werden, wie der geordnete Rückzug vollzogen werden kann. Allofs sagt zum Ende des Spaziergan­gs einen Satz, der ihn und seine Mission vermutlich umfassend beschreibt: „Ich kann nicht verspreche­n, dass wir dies und das sofort erreichen. Ich kann aber sagen, dass wir alle, vom Zeugwart bis zum Aufsichtsr­at jeden Tag daran arbeiten, Fortuna in die Lage zu bringen, Schritt für Schritt wieder näher an die Bundesliga heranzukom­men.“

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FOTOS: CHRISTOF WOLFF Ein Prosit der Gemütlichk­eit: Klaus Allofs im Trainingsl­ager von Fortuna im oberösterr­eichischen Bad Leonfelden – mit regionalen Köstlichke­iten, beim Stockschie­ßen und im Moorbad.

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