Rheinische Post

Australien feiert seine Wimbledons­iegerin

Ashleigh Barty präsentier­t sich als würdige Nummer eins im Tennis – durch Bescheiden­heit und Botschafte­n über den Sport hinaus.

- VON ROBERT SEMMLER

LONDON (dpa) Die Erinnerung an ihre Wurzeln waren Australien­s erster Wimbledons­iegerin seit 1980 wichtiger als die Gedanken an eine große Sause. Mit dem unglaublic­hsten Gefühl auf einem Tennisplat­z im Herzen und der Siegerscha­le in der Hand sprach Ashleigh Barty lieber von ihrem großem Vorbild Evonne Goolang Cawley, so schön das Wortspiel mit der Barty-Party auch sein mochte. 50 Jahre nach Goolang Cawleys erstem Triumph auf dem Rasen von London stellte Barty die indigenen Wurzeln beider heraus.

„Evonne ist ein ganz besonderer Mensch in meinem Leben. Sie ist seit vielen Jahren eine Ikone“, sagte Barty nach dem 6:3, 6:7 (4:7), 6:3 im Endspiel über die Tschechin Karolina Pliskova. Die in Kürze 70 Jahre alt werdende Ex-Tennisspie­lerin habe jungen Indigenen einen Weg geebnet, um an ihre Träume zu glauben und sie zu verfolgen. „Genau das hat sie auch für mich getan“, betonte Barty, die aus der Nähe von Brisbane kommt. „Wenn ich nur halb der Mensch sein könnte, der Evonne ist, wäre ich ein sehr, sehr glückliche­r Mensch.“

41 Jahre nach ihrem zweiten und letzten Wimbledon-Triumph zeigte sich Goolaong Cawley daheim extrem „stolz auf Ash, wie sie nicht nur auf dem Platz zurechtkom­mt, sondern auch daneben. Sie ist eine große Australier­in, alle lieben sie“, sagte die Gewinnerin von sieben GrandSlam-Titeln und betonte: „Ash ist wie eine kleine Schwester und Teil meiner Familie.“Schon nach dem French-Open-Sieg 2019 hatte sie herausgest­ellt, wie großartig es sei, dass dort wieder eine Aborigine gewonnen habe.

In Wimbledon erinnerte Barty mit ihrem Outfit an den Erfolg ihres Idols 1971, die Turnier-Organisato­ren

stellten bei Twitter zwei Fotos der beiden nebeneinan­der, wie sie die Siegestrop­häe – die Venus Rosewater Dish – lächelnd präsentier­en.

Daheim fieberte die Sport-Nation Australien zu später Stunde an den Fernsehger­äten mit der Weltrangli­sten-Ersten und überschlug sich mit Gratulatio­nen. Zu Wort meldete sich auch Cathy Freeman: Die 400-Meter-Olympiasie­gerin von Sydney 2000 ist ebenfalls indigener Abstammung. „Mächtig stolz auf unser Mädchen“, twitterte Freeman. Australien platze vor Stolz, schrieb Premiermin­ister Scott Morrison. Glücklich zeigte sich Tennis-Idol Rod Laver, 1969 als letzter Herr Gewinner aller vier Grand-Slam-Turniere in einer Saison, dass Barty ihren großen Traum verwirklic­ht habe.

Ihre Popularitä­t in der Heimat gründet sich auch auf ihr bescheiden­es Auftreten. „Ich habe einfach versucht, nach den Werten zu leben, die mir meine Eltern beigebrach­t haben. Ich denke, es ist wichtiger, ein guter Mensch zu sein als eine gute Tennisspie­lerin“, erklärte Barty.

Vor einem Jahr um diese Zeit, als Wimbledon wegen der Corona-Pandemie ausfiel, saß Barty zu Hause. Sie war seit Anfang März 2020 daheim geblieben und verbrachte ihre zweite lange Auszeit vom Tennis-Betrieb nach 2014, als ihr alles zu viel war. Erst 2016 fing die begabte Kricketund Golfspiele­rin wieder langsam mit dem Profitenni­s an, zehn Jahre nach ihrem Sieg bei den Juniorinne­n

in Wimbledon schloss sich nun ein Kreis. Immer wieder betonte Barty, wie sehr sie es als Privileg und Freude empfinde, besonders dieses Turnier nun wieder spielen zu können – und es nach einer Hüftverlet­zung bei den French Open Anfang Juni nun sogar zu gewinnen.

Bei ihrer Familie in der Nähe von Brisbane im Osten Australien­s brach am Ende des knapp zweistündi­gen, in Spannung und Klasse wechselhaf­ten Finales Jubel aus, als eine Rückhand von Pliskova im Netz landete. Der Kontakt zu den Schwestern und seiner Frau sei täglich da, berichtete Vater Rob Barty. Doch erst im November wird es nach zehn Monaten Trennung wohl so weit sein – für eine Barty-Party.

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FOTO: KIRSTY WIGGLESWOR­TH/DPA Ashleigh Barty küsst die Trophäe. Die Australier­in hat zum ersten Mal das Tennis-Turnier von Wimbledon gewonnen.

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