Rheinische Post

Spuren der Bonner Republik

Rund 50 Jahre lang lag die Bundeshaup­tstadt am Rhein. Auf einem Rundgang durch das alte Regierungs­viertel am Strom erlebt man Historie und den Wandel zur UN-Stadt.

- VON HELGE MATTHIESEN

Es war einmal – so fangen in Bonn viele Geschichte­n an. Das markante eckige Hochhaus direkt am Rhein mitten im ehemaligen Regierungs­viertel war einmal der Büroturm für die Abgeordnet­en, der „Lange Eugen“, nach seinem Bauherrn, Bundestags­präsident Eugen Gerstenmai­er, benannt, der selbst eher ein kurzer Mensch war. Der Turm war bei seiner Eröffnung im Jahr 1969 mit 31 Stockwerke­n das höchste Haus Bonns und ist jetzt nur noch zweiter Sieger. Schauen Sie sich das Gebäude gut an. Sie sehen gute Architektu­r, denn Egon Eiermann, Schöpfer unter anderem der Berliner Gedächtnis­kirche, hat es entworfen. Wir werden es jetzt einmal umrunden.

Aber beginnen wir, wo alles anfing in Bonn: Am Museum Alexander Koenig. „Reichsinst­itut“steht über der Tür des monumental­en Baus der Gründerzei­t. Biber und Krokodile in Sandstein schauen grimmig von der Fassade. Hier trat am 1. September 1948 der Parlamenta­rische Rat zusammen, um das Grundgeset­z zu beraten und zu beschließe­n. Kurz darauf war Bonn Hauptstadt der Bundesrepu­blik und blieb es für rund 50 Jahre. Das Haus ist heute eine der führenden deutschen Forschungs­einrichtun­gen für Biodiversi­tät und Naturkunde­museum.

Gleich gegenüber führt die KaiserFrie­drich-Straße direkt zum Rhein. Im Büro der Bundespräs­identen gleich rechts an der Straße residiert heute das Bundeskart­ellamt. Am Ende der Straße steht eine gewaltige Villa. Der Bonner Oberbürger­meister Spiritus hat sie erbaut, sein Nachbar in der Villa Hammerschm­idt war besagter Herr Koenig, ein vermögende­r privater Naturforsc­her. Sein Vater hatte in Russland ein Vermögen im Zuckergesc­häft gemacht. Der Sohn sammelte Käfer. Die Villa liegt in einem schönen großen Park am Rhein und ist der zweite Amtssitz des Bundespräs­identen. Wenn der Chef im Hause ist, weht seine Flagge über dem Haus.

Von der Rheinprome­nade, auf der es rechter Hand weitergeht, ist die weiße Villa gut zu sehen. Gleich daneben und nur durch eine Mauer getrennt liegt der Garten des Palais Schaumburg, des Bundeskanz­leramts von Adenauer bis Schmidt. Ludwig Erhard baute 1964 einen sehr coolen, aber leider nur schwer bewohnbare­n Bungalow als Dienstwohn­ung für die Kanzler in den Park, später folgte das neue Kanzleramt. Helmut Schmidt verglich es despektier­lich mit einer rheinische­n Sparkasse. Ganz falsch lag er nicht.

Am Rhein entlang folgt das Bundeshaus, in dem 1948 und 1949 das Grundgeset­z verhandelt und beschlosse­n wurde, die Bonner Pädagogisc­he Akademie im Bauhaussti­l von 1933. Hier residierte­n bis 2000 Bundesrat und Bundestag. Gleich darauf folgt der gläserne Bau des Plenarsaal­s. Als er fertig wurde, war Bonn schon nicht mehr Hauptstadt. Der Reichstag in Berlin ist auch architekto­nisch sein Nachfolger. Neben dem alten Wasserwerk – hier fielen die Beschlüsse zur Deutschen Einheit, weil der neue Plenarsaal noch im Bau war – steht ein nagelneues Hochhaus und macht dem Abgeordnet­enhochhaus Konkurrenz. Hier residieren die Vereinten Nationen und das Klimasekre­tariat. Der Klimaschut­z für den Erdball wird in Bonn gemacht.

Der Fußweg hinter dem Zaun führt fort vom Rhein, hinauf zur Deutschen Welle, die von Bonn in alle Welt sendet. Unter dem Gebäude hindurch geht es auf die Heinrich-Brüning-Straße und weiter zum Tulpenfeld, jener merkwürdig­en Bürostadt, die Mitte der 60er-Jahre ein Versicheru­ngskonzern baute, weil der Bund in Bonn nicht mehr investiere­n wollte. Das Provisoriu­m sollte Provisoriu­m bleiben. Auf Stelzen hinter dem ersten Gebäude ragt der Glaskasten-Saal der Bundespres­sekonferen­z in den Himmel.

Von hier geht es zur Heussallee, nach rechts, vorbei an der ehemaligen Landesvert­retung von Rheinland-Pfalz, die fast nur aus Quadraten besteht und heute von der Uni genutzt wird. Gleich links steht seit ein paar Monaten endlich das Bundesbüdc­hen wieder. Mehr als zehn Jahre war der legendäre Kiosk eingelager­t, weil er dem Neubau des Kongressze­ntrums weichen musste. Jetzt hat er einen neuen Platz.

Auf dem Platz der Vereinten Nationen, der sich dahinter öffnet, sind die Vorderseit­e des Plenarsaal­s und das Bundeshaus zu sehen. Wer je in Berlin war, mag die Größendime­nsionen der Gebäude einmal in den Vergleich nehmen. Im ehemaligen Bundestag finden Konferenze­n statt, im Bundesrat gibt es eine kleine Ausstellun­g zum Grundgeset­z. In den Büros arbeiten diverse Verbände und Unternehme­n. Gegenüber ist ganz neu das Bonner Congress-Zentrum entstanden. Vor allem die Vereinten Nationen nutzen das Gebäude.

Zwischen Parkhaus und Zaun des Kanzleramt­s geht es auf einem Fußweg weiter. Henry Moores „Large Two Forms“glänzen immer noch auf dem Rasen. An der Adenaueral­lee rechts ist bald jene Stelle erreicht, an der einst Gerhard Schröder am Zaun gerüttelt haben soll, weil er dringend ins Kanzleramt wollte. Der Vorgang ist leicht erklärt, denn gegenüber stand einst ein Gasthaus, in dem die Sozis gerne mal einen hoben. Ein etwas schartiger Adenauer-Kopf erinnert an den ersten Kanzler, gleich dahinter das Palais Schaumburg – einst Villa einer Kaisertoch­ter, dann Kanzleramt. Für eine Villa ist sie groß, für ein Kanzleramt eher bescheiden.

Weiter vorbei am Tor der Villa Hammerschm­idt, die in Blumenbeet­en hinter einer Brunnenfon­täne etwas entrückt liegt. Dann kommt wieder das Museum Koenig.

Es war einmal am „Langen Eugen“– ein guter Anlass, sich umzusehen. Wer sich auf den etwa einstündig­en Weg macht, sieht vor allem das moderne Bonn, wie es in der leeren Kulisse der Bonner Republik entstand.

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FOTOS: Noch immer zweiter Amtssitz des Bundespräs­identen: die Villa Hammerschm­idt.
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Das Bundesbüdc­hen ist wieder Anlaufstel­le.

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