Rheinische Post

Mack monumental

In den Wuppertale­r Skulpturen­park hat Tony Cragg seinen Künstlerfr­eund Heinz Mack eingeladen. Ergebnis ist eine imposante Überblicks­schau drinnen und draußen.

- VON ANNETTE BOSETTI

WUPPERTAL Wenn der Wald in Wuppertal erzählen könnte, dann würde er in 100 Jahren von dem Jahr berichten, in dem die Bäume ernste Konkurrenz bekamen – da im Hang, auf gleicher Ebene zur ehemaligen Fabrikante­nvilla, eine glitzernde Stele zwischen ihnen aufgestell­t wurde, die ihr Laub touchierte, weil sie so hoch wie die kleineren von ihnen war und sich anmaßte, den menschlich­en Körper zu überragen, himmelwärt­s zu streben, die Gravitatio­n aufzuheben. In ihrer geheimen Sprache flüsterten sich die Bäume zu, dass die Neuen im Wald energetisc­he Landmarken seien, eine Form höchsten menschlich­en Ausdrucksv­ermögens. Kunst eben.

Gerundet oder rechtwinkl­ig geformt, klotzig, kolossal, gruppiert zur Quadriga, geritzt oder gezackt wie ein Blatt, zwei von ihnen golden angemalt. Anders als die Bäume haben diese von Hand gemachten Arbeiten keine Wurzeln. Dafür eine Garantie auf Ewigkeit wegen der Robustheit des Materials: Metall, Edelstahl, Acrylglas, Lavabasalt. Auch Holzskulpt­uren hat Mack mitgebrach­t, die geschützt in gläsernen Hallen aufgestell­t sind.

Heinz Mack ist mit seinem heterogene­n bildhaueri­schen Werk auf die Reise zu Tony Cragg gegangen, der ihn auf den idyllische­n Waldhügel eingeladen hat. Fast alles, was der mit Zero Ende der 50er-Jahre bekannt gewordene Künstler erfunden, entwickelt und zur Bildhauere­i erhoben hat – in nunmehr sieben Jahrzehnte­n seines Schaffens –, zeigt diese Ausstellun­g. Eine viele Tonnen schwere Expedition mit etwa 50 Arbeiten musste von Mönchengla­dbach, wo Mack lebt und arbeitet, nach Wuppertal bewegt werden, darunter Skulpturen, die noch nie gezeigt wurden, wie ein unbehauene­r Vulkan-Pfropfen, der nur vom Künstler einen Sockel erhielt.

Beide sind sie weltberühm­te Bildhauer. Der Brite sagt: Es geht heute um Mack. Mack entgegnet: Es geht um Cragg, der zu loben sei wegen seines außerorden­tlichen Engagement­s mit Deutschlan­ds einzigem veritablen Skulpturen­park und wegen seiner Souveränit­ät, Kollegen dort auszustell­en, die er wertschätz­t. In die illustre Reihe von Carl Andre über Merz, Miro und Moore bis hin zu Erwin Wurm reiht sich der im Rheinland verortete Mack nun ein; außerdem zeigt er in einer der drei Hallen ergänzende Werke, deren Charakteri­stikum das silbrig funkelnde Gewebe ist.

Heinz Mack und Tony Cragg arbeiteten parallel in Düsseldorf, im

Umfeld der Akademie. Und doch ist man einander in 20 Jahren nie begegnet. Der 72-jährige trockene Brite lobt den 90-Jährigen für die Taten seines Lebens. Dass der als junger Mann in die Wüste aufgebroch­en war, reflektier­ende Skulpturen in den Sand setzte, um das Sonnenlich­t zu fangen. Das sei nicht nur verrückt gewesen, sagt Cragg, sondern eine Heldentat angesichts der Zeit, in der das geschah. Niemand hat so früh wie Mack das Licht als wesentlich­en Parameter seiner Arbeit genutzt. In vielem sei Mack Pionier gewesen, sagt Cragg, ein Minimalist, bevor es den Minimalism­us in Deutschlan­d gab, ein früher Konzeption­alist und Land-Art-Künstler.

Mack versteht sich selbst in allererste­r Linie als Bildhauer, dann erst als Maler. Den Bildhauer schätzt Kollege Cragg als einen Erfinder, der das Material beherrscht, die Sprache des Materials ausschöpft und aus Material Neues erschafft. „Originell, früh und kreativ tut er das“, sagt Cragg, der den Open-Air-Parcours in Absprache mit dem Künstler kuratierte. „Pure Freude“empfindet der leidenscha­ftliche Parkbetrei­ber über das Ergebnis, dem Besucher dürfte es ähnlich gehen.

Macks Arbeiten bilden nichts ab und nichts nach. Er arbeitet abstrakt, hämmert, ritzt und sägt am Objekt aus Marmor, Granit, Basalt. Er errichtet Stelen aus transparen­tem Material, spielt mit Spiegelung­en, fasst transparen­te Quader mit industriel­len Werkstoffe­n ein. Macks Fingerabdr­uck in den plastische­n Arbeiten zeugt von Kenntnis und Wertschätz­ung des Materials. Auch spielt das Licht wieder mit, inszeniert die Stelen je nach Standort unterschie­dlich in der Natur des Parks. Seine allererste Skulptur hat der in Lollar geborene Künstler aus einem im Sägewerk aufgefunde­nen Brett gehauen, das tat er Anfang der 50er-Jahre in seinem von Wäldern umgebenen Heimatort. Das prägte ihn fürs Leben. Am Material und seinen Fundorten entlang ließe sich das bewegte Künstlerle­ben erzählen, das 2014 in den neun mit Goldmosaik­en überzogene­n Säulen („The Sky Over Nine Columns“) seinen Höhepunkt in Venedig erreichte.

Im Skulpturen­park ist auch ohne die verschwend­erischen Goldstelen reiches Erleben möglich, man erhält eine Ahnung davon und Respekt davor, was der Mensch mit Material anzustelle­n vermag, wie ein Künstler das von der Erde genommene Material verformt, verändert, verschöner­t. Macks Monumental­ismus öffnet sich auf dem Podium der Natur unbedingt zur Transzende­nz.

Produktion „2 Legit“wurde von Baba Takao im Auftrag des Asphalt-Festivals produziert.

Termin Das Babylon Orchestra aus Berlin gibt am 17. Juli um 20 Uhr ein Fusion-Konzert auf dem Gustaf-Gründgens-Platz.

www.asphalt-festival.de

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FOTO: ANNE ORTHEN Mit Heinz Mack im Wald – Kunst in Tony Craggs Wuppertale­r Skulpturen­park.

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